Politische Eiszeit in Kambodscha

■ Zehn Wochen nach den Wahlen ist die Bildung einer Regierung immer noch nicht absehbar, doch die politische Gewalt nimmt zu

Kuala Lumpur (taz) – In Kambodscha sind bisher alle Versuche gescheitert, eine Regierungskoalition zu bilden. Tiefe Feindschaft, Mißtrauen und Angst trennen die Politiker. Aus Sorge um ihre Sicherheit sind die beiden Oppositionsführer ins Ausland gereist. Das politische Klima wird immer eisiger. Nach einstündigem Gespräch mit König Sihanouk verließen gestern Premier Hun Sen und der bisherige Präsident der Nationalversammlung, Chea Sim, kommentarlos den Palast. Der 75jährige König war erstmals seit neun Monaten wieder in die Hauptstadt zurückgekehrt, um die zerstrittenen Politiker zum Kompromiß zu überreden – vergeblich.

Die beiden Oppositionsparteien, die bei den Parlamentswahlen am 26. Juli 58 Prozent der Stimmen gewannen, weigern sich seither, das Ergebnis anzuerkennen. Sie werfen der herrschenden Volkspartei (CPP) Betrug und Einschüchterung vor und verlangen, einen Teil der Wahlzettel neu auszuzählen. Das lehnen die CPP und Premier Hun Sen strikt ab. Doch für eine neue Regierung braucht der Premier nach der Verfassung zwei Drittel der Sitze.

Die neugewählten Abgeordneten sind bisher erst einmal zusammengekommen. Doch politische Gewalt überschattete die Parlamentseröffnung am 24. September. Der Politikerkonvoi entging knapp einem Anschlag, bei dem ein Kind getötet wurde. Die Hintergründe sind ungeklärt. Hun Sen warf der Opposition sofort vor, seinen Tod geplant zu haben und drohte mit Vergeltung. Daraufhin setzten sich der Chef der Funcinpec-Partei, Prinz Norodom Ranariddh, und der Ex-Finanzminister Sam Rainsy nach Bangkok ab. Alle 15 Abgeordneten der Sam- Rainsy-Partei verließen inzwischen das Land. Dabei hatte die Regierung 68 Politikern, darunter den Oppositionsdelegierten, die Ausreise verboten.

Bisher sind keine der politischen Gewalttaten der letzten Wochen aufgeklärt. Die UNO und Menschenrechtsorganisationen haben wiederholt das „Klima der institutionalisierten Straflosigkeit“ (amnesty international) angeprangert. Dutzende Tote seien seit den Wahlen in der Umgebung von Phnom Penh gefunden worden. Menschenrechtler glauben, daß mehrere von ihnen von Polizisten oder Militärs ermordet wurden. Über 200 Personen sollen seit September „verschwunden“ sein.

Oppositionspolitiker Sam Rainsy versucht derzeit in Washington, wie schon nach dem Putsch von 1997, internationale Unterstützung gegen das Regime von Hun Sen zu mobilisieren. Danach will Rainsy nach Paris und Bonn reisen. Doch die Chancen, daß er Gehör findet, sind gering. Die EU hat erst vergangene Woche erneut bestätigt, daß die Wahlen ihrer Ansicht nach „den Willen der Bevölkerung widerspiegeln“ und daher rechtmäßig seien. Viele Regierungen sind des kambodschanischen Konfliktes überdrüssig. Die Kambodschaner sollen ihre Probleme „endlich selbst lösen“, so ein Diplomat. Jutta Lietsch