Kohl soll jetzt möglichst wenig sagen

In der CDU warten alle auf die Personalia, die der künftige Parteichef Wolfgang Schäuble verkünden wird. Noch kein CDU-General in Sicht, aber „Oberministranten“ (Geißler) kritteln am abtretenden Kanzler herum  ■ Von Bettina Gaus

Berlin (taz) – Wenigstens der Hausherr wollte Helmut Kohl noch einmal sein. Entgegen der ursprünglichen Planung begab er sich gestern nicht als Gast in den Saal der Bundespressekonferenz, sondern informierte die Medien direkt in der Bonner Parteizentrale über die Ergebnisse der CDU- Vorstandssitzung. Aber der scheidende Kanzler und sein Generalsekretär Peter Hintze hatten nicht viel zu sagen. Die jetzt anstehenden Personalentscheidungen wird derjenige verkünden, dem sie laut Kohl „allein zustehen“: Fraktionschef Wolfgang Schäuble, den die CDU-Spitze dem Parteitag am 7. November auch als neuen Parteivorsitzenden vorschlagen wird.

So bleibt vorläufig weiter offen, wie der Nachfolger von Hintze heißen wird. Vom Tisch ist eine Überlegung, das Amt des Generalsekretärs um Kompetenzen nach Art eines Bundesgeschäftsführers zu erweitern und mit Verteidigungsminister Volker Rühe zu besetzen: Der Vorstand hat gestern keine entsprechende Änderung der Satzung beschlossen.

Andere, die in diesem Zusamenhang bisher genannnt worden sind, winken vornehm ab: Friedrich Merz aus Nordrhein-Westfalen sieht dem Vernehmen nach seine Kernaufgabe in der Fraktion. Sein Landsmann Hermann Gröhe will überhaupt erst aus der Presse von Spekulationen über seine Person erfahren haben. Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth hat gefordert, das Amt mit einer Frau zu besetzen. „Hat sie auch gesagt, mit wem?“ fragte Volker Rühe am Rande der Vorstandssitzung. Nein, hat sie nicht. Schulterzucken bei Rühe: „Na, eben.“

Wolfgang Schäuble, der gestern von der CDU-Fraktion mit 200 von 216 erneut zum Vorsitzenden gewählt wurde, schweigt dazu. Gestern griff auch Kohl nicht mehr mit Empfehlungen in den aktuellen Fluß der Dinge ein. Er soll überhaupt nach dem Willen von vielen in der CDU künftig möglichst wenig zu sagen haben – und sagen. Gestern hat sich auch Sachsens Justizminister Steffen Heitmann in die Reihe derer eingereiht, die ihn zum Schweigen verdonnern wollen. Kohl habe „Großartiges“ geleistet: „Jetzt wird er Vorträge halten und im übrigen aus der aktiven Politik ausscheiden.“ Für die Neuorientierung der Union sei das auch wünschenswert, betonte Heitmann, an dem der Kanzler einst vielen Widerständen zum Trotz lange als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten festgehalten hatte.

Angewidert von Äußerungen derer, die gegen Helmut Kohl in Zeiten seiner Macht nie ihre Stimme erhoben hatten, zeigen sich unterdessen sowohl loyale Anhänger Kohls als auch die wenigen, die ihn auch früher schon offen kritisiert hatten. Präsidium und Bundesvorstand der Partei gingen „anständig“ mit Kohl um und seien „voller Dank“, sagte Innenminister Manfred Kanther. „Daß es in einer so großen Partei immer auch ein paar Schreihälse am Rande gibt, ist nicht stilprägend.“ Noch deutlicher wurde Kohls alter Widersacher Heiner Geißler: „Was mir nicht gefällt, ist, daß Weihrauchschwenker und Oberministranten jetzt über den Helmut Kohl herziehen. Von denen habe ich vorher nie etwas gehört.“

Das Geburtsdatum einzelner CDU-Politiker gewinnt als Qualifikationsmerkmal offenbar immer stärkeres Gewicht. „Wir Jungen haben gute Karten“, zeigte sich der niedersächsische Landesvorsitzende Christian Wulff gestern vor Beginn der Vorstandssitzung zuversichtlich. Er glaubt, aus dem Wettstreit mit Arbeitsminister Norbert Blüm um den Posten des stellvertretenden Parteichefs siegreich hervorzugehen.

Fünf Bewerber gibt es derzeit für die vier Positionen als Vizevorsitzende. Verteidigungsminister Volker Rühe, Umweltministerin Angela Merkel und Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel gelten als sichere Kandidaten. Offen ist das Rennen zwischen Wulff und Blüm. Die Anhänger des einen meinen, eine Erneuerung der Partei sei mit bekannten Gesichtern der alten Garde alleine nicht hinzubekommen. Die Anhänger des anderen verweisen darauf, daß ohne Blüm der wichtige Landesverband Nordrhein-Westfalen überhaupt nicht mehr vertreten wäre. Aber es geht eben auch um den künftigen Kurs: Neoliberale contra Sozialstaatler.

Die letzte Entscheidung über die Linie wird bei Schäuble liegen. Er will dem Vorstand am 22. Oktober seine Personalvorschläge unterbreiten. Intern ist Schäubles Position durch die verheerende Wahlniederlage offenbar nicht geschwächt. Er könne nicht als Teil des Systems Kohl bezeichnet werden, hieß es in Fraktionskreisen. In den letzten zwei Jahren habe er sich davon emanzipiert.