Clinton in den Mühlen der Justiz

Der Rechtsausschuß des US-Repräsentantenhauses beschließt Vorermittlungen für ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Staatspräsidenten  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Zum dritten Mal in der Geschichte wird gegen einen Präsidenten der Vereinigten Staaten ein Verfahren zur Amtsenthebung eingeleitet. Mit 21 republikanischen zu 16 demokratischen Stimmen beschloß der Rechtsausschuß des US-Repräsentantenhauses am Montag entsprechende Vorermittlungen gegen Präsident Bill Clinton. Diese Entscheidung bedarf noch der Zustimmung des gesamten Repräsentantenhauses, mit der am Donnerstag oder Freitag gerechnet wird.

Das gesamte vom Sonderermittler Kenneth Starr gelieferte Beweismaterial gegen Clinton war in den letzten Wochen von zwei Anwälten gesichtet worden, die je von der republikanischen und demokratischen Seite angestellt worden waren. Ihre Plädoyers gingen einer neunstündigen Debatte im Rechtsausschuß und der Abstimmung voraus.

Die dann verabschiedete Resolution glich fast wörtlich jener, die vor 24 Jahren gegen Richard Nixon im Zusammenhang mit dem Watergate-Skandal angenommen wurde: „Der Ausschuß ist berechtigt und beauftragt, gründlich und vollständig zu untersuchen, ob ausreichend Gründe dafür vorliegen, daß das Repräsentantenhaus seine verfassungsmäßige Befugnis wahrnimmt und die Amtsenthebung des Präsidenten der Vereinigten Staaten, William Jefferson Clinton, beantragt.“ Nixon entzog sich dem Verfahren schließlich durch Rücktritt.

Der Anwalt für die Republikaner, David Shippers, sagte, die Beweislage rechtfertige die Eröffnung des Verfahrens. Der Präsident habe gelogen, Zeugen beeinflußt, Beweismittel unterschlagen und die Justiz behindert. Der Anwalt der Demokraten, Abbe Lowell, beharrte darauf, daß keine der Clinton zu Last gelegten Vergehen der Definition entspreche, die nach der Verfassung ein Amtsenthebungsverfahren rechtfertigen. Er argumentierte, daß die Gründer der Verfassung nicht in jeder Straftat einen Grund für Amtsenthebung sahen — wie auch nicht jeder Grund für eine Amtsenthebung in einer Straftat liegen muß.

Die Demokraten wußten, daß sie keine Chance hatten, diese Abstimmung zu gewinnen. Sie wollten daher, daß der Ausschuß sich zunächst damit beschäftigt, wo die Meßlatte für ein Amtsenthebungsverfahren liegen soll. Dann wollten sie eine Begrenzung des Verfahrens, damit es nicht alles umfaßt, was Clinton je von Whitewater bis Wahlkampffinanzierung zur Last gelegt wurde.

In der anschließenden heftigen Debatte machte der republikanische Abgeordnete Bill McCollum aus Florida gelten, daß zur Zeit 115 Menschen wegen Meineids in US- Gefängnissen sitzen. Der Präsident dürfe nicht über dem Gesetz stehen. Der demokratische Abgeordnete John Conyers — der einzige, der noch bei den Anhörungen gegen Nixon dabei war — sagte: „In der Tat gibt es eine Gefahr für das Land, aber sie geht von einem Staatsanwalt aus, der um jeden Preis den Präsidenten der gegnerischen Partei stürzen will.“

Wenn das Repräsentantenhaus der Resolution des Rechtsausschusses zustimmt, woran nicht gezweifelt wird, kann der Ausschuß nach den Kongreßwahlen Anfang November seine Anhörungen aufnehmen. Dann wird er wahrscheinlich noch mal alle Hauptpersonen von Monica Lewinsky bis zu Bill Clinton vernehmen. Danach würde der Ausschuß dem Repräsentantenhaus eine neue Resolution vorlegen, die die Amtsenthebung empfiehlt — oder auch nicht. Das Repräsentantenhaus entscheidet dann mit einfacher Mehrheit, ob es die Amtsenthebung beantragen will.

Falls ja, übernimmt das Repräsentantenhaus dann die Rolle des Anklägers. Verhandelt wird die Sache vor dem Senat unter Vorsitz von Amerikas Obersten Richtern. Eine Amtsenthebung ist dort nur mit einer Zweidrittelmehrheit möglich.