Bunte Töne in XXL

■ Input 98: Das „théÛtre imaginaire“ zeigte im Concordia die wunderschöne synästethische Performance „Anima“

Zu Beginn, wenn's erst ganz dunkel, anschließend ganz bunt und dann sehr lange ganz geheimnisvoll ist, will man sich vor allem nur nicht mehr fürchten müssen. Und deshalb möchte man – denn Nichtwissen macht immer die größte Angst – dringend eine Frage sofort beantwortet haben: Was ist das nur für ein glitzerndes Ding, was da in dem in vielen Farben schillernden Käfig auf dem Boden kauert, geräuschlos umher krabbelt, sich windet und aufbäumt, bedrohlich-schön im Kreise dreht?

Immer wenn es gewitterte – und der Perkussionist Wolfram Dix ließ das Concordia häufiger heftig beben – fiel das seltsame Wesen in sich zusammen. Doch wenn die Töne keck durch den Saal pfiffen oder sich behutsam schwebend dem runden Käfig näherten, öffnete es sich der Musik und den vielen Farben des Lichts, kroch zum Rand und suchte gegen Ende, wenn auch vergebens, einen Weg hinaus aus seiner engen Behausung.

„Anima oder das animorphogenetische Feld“ hat das théÛtre imaginaire – neben Dix zählen dazu noch Adriana Kocijan und Gustav Gisiger – seine einstündige Performance genannt, die im Zuge der freien Tanz- und Theatertage „Input 98“ aufgeführt wurde. Und so als ob dieser Titel nicht schon abschreckend genug wirkte, verschüchterten Schautafeln im Foyer die BesucherInnen durch die Erläuterungen des komplizierten Aufbau des Käfigs namens „Expander XXL“ sowie der aufwendigen technischen computergesteuerten Anlage, mit der während der Aufführung die opulenten Lichteffekte erzeugt wurden. Aber Wortungetüme und Schaltkreiszeichnungen waren in dem Augenblick vergessen, wo sich der Theaterraum – gar nicht imaginaire – füllte mit ebenso schönen wie befremdlichen bunten Lichteffekten. Doch als mit der Zeit das Wesen (Adriana Kocijan) immer mehr menschliche Gestalt annahm, stellte sich sehr bald Mitleid ein und zerstörte so die anfänglich schöne Illusion der Effekte. Kein amorphes Etwas vollführte da mehr sein betörendes Spiel mit Licht und Musik, keine gesichtlose Existenz vereinte sich immer wieder mit den Klängen und Farben zu Augenblicksexistenzen zwischen allen Dimensionen.

Stattdessen ruhte der Blick nun auf einem deprimierend einsamen Menschen, der sich doch nicht, wie zuvor der Schein versprach, lustvoll in immer neuen Gestalten, in immer neuen Farben erfinden konnte. Die totale Verschmelzung mit Licht und Musik, die allumfassende Symbiose, die die Grenzen von Leib und Raum überwinden kann – sie blieb eben nur imaginär. So betrüblich diese Erkenntnis auch ist: Immerhin eine ewig währende halbe Stunde konnte man sich an dem Gedanken erwärmen, daß die Materie zu nichts anderem dient, als in hingebungsvoller Verschwendung dem Augenblick zu frönen. zott