Jakubowski findet milde Richter

■ Skandal um Bautrupp des Landessportbundes wird vor Gericht beerdigt

Sechs Meter tief stürzte Gottfried Ludewig im November 1994 vom Dach eines Hauses in Sottrum bei Stuckenborstel. Monate verbrachte der Bauarbeiter im Krankenhaus. Bis heute hat er die Folgen des Unfalls nicht überwunden. Noch immer klagt er über Kopfschmerzen und Schwindelgefühle. Seinen Geschmacks- und Geruchssinn hat er verloren. Doch der Sturz vom Dach war kein normaler Arbeitsunfall: Ludewig war ein Langzeitarbeitsloser, der beim Bautrupp des Landessportbundes beschäftigt war. Sein Lohn wurde mit Zuschüssen aus einem Landesprogramm für Arbeitslose finanziert. Die Baustelle war allerdings privat. Der ehemalige Leiter des Bautrupps, Dieter Jakubowski, baute ein Doppelhaus für seinen Schwager und bediente sich der Bauarbeiter des Landessportbundes.

Seit gestern müssen sich Jakubowski und der Leiter der Tischlerwerkstatt Jürgen F., wegen Untreue vor dem Amtsgericht verantworten. Der Einsatz auf der Privatbaustelle des Schwagers war kein Einzelfall. In 14 Fällen hatte Jakubowski die ABM-Kräfte, die aus Mitteln des Arbeitsamtes und des Arbeitsressorts finanziert wurden, auf privaten Baustellen eingesetzt. Die Arbeiter zimmerten Einbauküchen, Schuppen, einen Wintergarten und sogar ein Kinderbettchen für das Enkelkind von Jürgen F. Der Schaden beläuft sich nach Angaben der Kripo auf rund 85.000 Mark.

Daß Jakubowski und Jürgen F. milde Richter finden werden, zeichnete schon gestern ab. Fünf der 14 Fälle sollen als „unwesentliche Nebendelikte“ eingestellt werden. Jürgen F. muß nur mit einer Verurteilung wegen Beihilfe rechnen. Für Jakubowski kommt nach Ansicht der Richter höchstens eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten oder eine Geldstrafe heraus. Der Arbeitsunfall Ludewigs ist bereits vor dem Amtsgericht Achim verhandelt worden. 3.000 Mark zahlte Jakubowski an Ludewig. Er hatte versucht, den Unfall im Nachhinein zu vertuschen, indem er den Arbeiter bat, eine Urlaubsmeldung für den Unfalltag zu unterschreiben. Jakubowski, dem nach Bekanntwerden des Skandals durch Veröffentlichungen der taz fristlos gekündigt worden war, hat vom Arbeitsressort mittlerweile „für den Verlust seines Arbeitsplatzes“ eine Abfindung von 6.500 Mark kassiert. Außerdem hat das Ressort auf sämtliche Ansprüche ihm gegenüber verzichtet.

Wenn sich die Staatsanwaltschaft jetzt auf den Deal einläßt, wäre das das Ende eines Skandals, der 1995 in Bremen für mächtig Wirbel gesorgt hatte. Mit der Drohung, einen Untersuchungsausschuß einzurichten, erreichten Grüne und AfB, daß Staatsrat Arnold Knigge Bericht erstatten mußte. Namhafte Politiker, wie Ex-Senator Peter Sakuth, hatten Jakubowski ebenfalls Aufträge für eine Einbauküche im Nachbarschaftshaus von Tura erteilt. Seit 1988 gab es Beschwerden über Jakubowski. Auch der ehemalige Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) war 1991 mit dem Fall befaßt. Prüfung erst nach der Wahl, entschied Wedemeier damals.

Jakubowki kehrte vor Gericht gestern den sozial engagierten Sportfunktionär heraus. Die Mitarbeiter des Bautrupps, der Bremens Sportplätze in Schuß halten sollte, seien „labil“ und „undiszipliniert“ gewesen. Einige hätten Alkohol- und Drogenprobleme gehabt. „So blieb nichts anderes übrig, als mit Disziplinierungsmaßnahmen und Strenge die ABM-Kräfte zu Arbeiten anzuhalten“, ließ Jakubowski in einer Erklärung verlesen. Der Bautrupp hätte zuwenig zu tun gehabt. Deshalb hätte Jakubowski Privatarbeiten angenommen. Er habe sich nichts dabei gedacht – zumal die Auftraggeber zum Teil von „im politischen Raum Tätigen“ an ihn herangetragen worden seien. Jakubowskis Anwalt formulierte es so: „Ich streite nicht ab, daß mein Mandant Verfehlungen begangen hat, aber hier gehören die Bremer Verhältnisse auf die Anklagebank.“

Kerstin Schneider