Stadtwerke drehen eigenen Strom ab

■ Vorstand will fünf von acht Bremer Kraftwerksblöcken stillegen / 400 Mitarbeiter müssen gehen / Von der Preag wird mehr Atomstrom gekauft / Umweltsenatorin nicht einverstanden

Die Stadtwerke Bremen legen in den nächsten sechs Jahren fünf ihrer acht Kraftwerksblöcke still. Stadtwerke-Vorstandschef Gerhard Jochum begründete die Entscheidung mit dem Druck durch die Liberalisierung des Strommarktes. 400 Mitarbeiter verlieren ihren Job. Weil die Stadtwerke mehr Strom vom Kernkraftbetreiber PreußenElektra (Preag) beziehen werden, dürfte der Anteil an Atomstrom im Bremer Netz von heute rund sieben auf 28 Prozent steigen. Mit dem neuen Strombeschaffungskonzept sparen die Stadtwerke nach Angaben Jochums bis zum Jahr 2010 insgesamt 200 Millionen Mark. Bis 2005 werden schrittweise die Kraftwerksblöcke Mittelsbüren 1 und 2, Hastedt 14, Hafen 5 und Hastedt 15 geschlossen.

Seit die Gebietsmonopole gefallen sind, schließen die Kunden mit den Energieversorgern nur noch kurzfristige Verträge ab. Nach der „Flexibilisierung auf der Absatzseite dürfe die Beschaffungsseite nicht starr sein“, erklärte Jochum. Umweltsenatorin Tine Wischer (SPD), Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke, reagierte überrascht: Eine so drastische Abkehr von der bisherigen Geschäftspolitik bedürfe der genauen Überprüfung durch den Aufsichtsrat.

Die Gewerkschaften ÖTV und DAG nannten die geplanten Stellenstreichungen eine „beschäftigungspolitische Katastrophe“. Das Beispiel zeige, daß durch die Liberalisierung des Energiemarktes eine Unzahl von Arbeitsplätzen vernichtet werde. Rund 200 der 400 Stadtwerke-Mitarbeiter, die in den Kraftwerken nicht mehr gebraucht werden, können in den Vorruhestand gehen. Für die anderen werde nach sozialverträglichen Lösungen gesucht, sagte Jochum. Betriebsratschef Richard Habort kündigte harte Verhandlungen an. Für ihn ist das Konzept eine „Sauerei“, „ein Schlag ins Gesicht aller Stadtwerker“, der Einstieg in den Ausstieg der Bremer Stromerzeugung.

Bisher sind Bremer Kraftwerke gut für mehr als 1000 Megawatt (MW) Leistung, abgenommen werden in Bremen aber nur 680 MW. Bisher kaufen die Stadtwerke nur zehn Prozent des in Bremen verbrauchten Stroms von der Preag. Die Kapazität der Stadtwerke sinkt nach den Schließungen auf 550 MW. Weil auch die Blöcke in Hastedt stillgelegt werden, ist die Kraft-Wärme-Koppelung zur Erzeugung von Fernwärme in der bisherigen Form dort nicht mehr möglich. Die Stadtwerke wollen aber ein eigenes Heizwerk betreiben, um die Wärme herzustellen. Betriebsrat Harbort kritsiert jedoch, die kostengünstige Kraftwärme-Koppelung, bei der die Wärme als Nebenprodukt aus der Stromerzeugung gewonnen wird, bleibe auf der Strecke: „Der Vorstand verabschiedet sich von umweltfreundlicher Energieerzeugung“.

Wesentlicher Teil des Vorstandskonzeptes ist neben der Kraftwerks-Schließung der Umbau der Stadtwerke-Struktur und ein Kooperationsvertrag mit der Teil-Mutter Preag. Unter einem Holding-Dach sollen ab dem 1. Januar 1999 eine Stadtwerke Kraftwerksesellschaft neben einer für den Absatz und zuständigen Marktgesellschaft selbständig agieren.

Die Preag verpflichtet sich, den gesamten Bremer Strom von der Kraftwerksgesellschaft abzunehmen. Gleichzeitig versichert die Marktgesellschaft, 60 Prozent der Bremer Erzeugung zu übernehmen. Der Anteil zugekauften Stroms in Bremen steigt also auf rund 40 Prozent. Für die Stadtwerke wird es leichter, mit Kunden zu verhandeln, wenn man den Strom nicht unbedingt verkaufen muß, weil man Kapazitäten vorhält.

Was hat die Preag davon, von der die bündnisgrüne Umweltpolitikerin Lisa Wargalla mutmaßt, sie wolle „nur rein und ihren Atomstrom liefern“? Die Hannoveraner haben laut Jochum kein Interesse, daß die Stadtwerke Bremen mit Dumping-Preisen ihren zu viel produzierten Strom anbietet und die Preise kaputt macht.. Jochum geht davon aus, daß in den nächsten Jahren die Strompreise um bis zu 15 Prozent sinken. Joachim Fahrun