"Das kann sogar teurer werden"

■ Das von der Bahn vorgeschlagene Privatisierungsmodell der BVG werde die Kosten des Landes nicht reduzieren, meint Hartmut Kuhfeld, Verkehrsexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung

taz: Die Leute haben wenig Geld in der Tasche, der Handel klagt über mangelnde Nachfrage der VerbraucherInnen. Ist der Senat angesichts dieser Lage auf dem richtigen Dampfer, wenn er mit der Privatisierung der BVG die Streichung von 7.000 Arbeitsplätzen und flächendeckende Lohnsenkungen anpeilt?

Hartmut Kuhfeld: Es besteht die große Gefahr, das man mit derartigen Maßnahmen die Wirtschaft zusätzlich stranguliert.

Kann das Land überhaupt sparen, wenn zusammen mit der Bahn AG eine private Holding für den gesamten öffentlichen Nahverkehr der Stadt gegründet wird?

Ich kann bisher nicht den Nutzen dieser Holding erkennen. Die Aufgaben sind verteilt, und sie sind gut verteilt. Nach dem Gesetz über den öffentlichen Nahverkehr bestellt das Land die Verkehrsleistungen. BVG und S-Bahn betreiben die Strecken, und der neue Verkehrsverbund übernimmt die Koordination der Netze. Wo da der Platz der Holding sein soll, ist mir völlig unklar.

Hat der Senat nicht die Möglichkeit, mittels der Holding seine Zuschüsse zu den Personalausgaben zu reduzieren?

Die BVG hat ja bereits 10.000 Stellen eingespart und will ihre Belegschaft auch weiterhin sozialverträglich verringern. Da bringt es gar nichts, eine Holding zu gründen. Denn die Personalkosten in alter Höhe bleiben beim Land. Der Staat zahlt die Differenz zu den niedrigeren Löhnen der Holding und finanziert die Leute weiter, die der neue Konzern nicht haben will. Wie soll der Senat dabei sparen? Bei der Privatisierung der Deutschen Bahn AG lief es ähnlich: Die alten Personalkosten sind dabei ebenfalls nicht verschwunden, sondern wurden aus der Bahn AG nur herausgezogen und beim Staat belassen.

Die alten Beschäftigten mit ihren höheren Löhnen gehen allmählich in Rente, und das neue Holdingpersonal muß der Senat später nicht mehr alimentieren. Kann die Finanzsenatorin mittelfristig nicht doch Personalausgaben sparen?

Vielleicht am Sankt-Nimmerleins-Tag. Erst einmal müßten aber dem Konzept zufolge 7.000 Leute eingespart werden. Das dauert Jahre, und während dieser Zeit käme es wohl nicht zu größeren Neueinstellungen und damit auch nicht zu Einsparmöglichkeiten. Unter dem Strich kann diese Konstruktion für das Land sogar teurer werden. Einerseits bleiben die Altlasten, außerdem kommt eine neue hierarchische Ebene dazu: ein neuer Aufsichtsrat mit sechs Posten. Nutzen hätte die Holding für die Bahn: Sie wird Monopolunternehmen auf dem Berliner Nahverkehrsmarkt.

Wie kommt das Land dazu, diesen Deal anzubahnen?

Man will sich aus der politischen Verantwortung stehlen. Der Senat schiebt dem neuen Konzern die Ausdünnung des Verkehrs zu. Dabei kann und muß das Land den Verkehr selbst steuern. Es bestellt ja, was es haben will.

Die Holding will Strecken stilllegen, um Kosten zu sparen. Sinnvoll?

Das Gegenteil muß passieren. Wir brauchen eine Offensive für den ÖPNV, der ihn schneller und attraktiver macht. Sonst läßt sich nicht verhindern, daß die Fahrgastzahlen weiter sinken und das Defizit sich vergrößert. Interview: Hannes Koch