Serbiens Nachbarn in Sorge

■ In Bosnien-Herzegowina drohen serbische Extremisten im Fall von Luftangriffen mit Aktionen gegen Nato-Einrichtungen

Sarajevo (taz) – In den Nachbarstaaten Serbiens werden derzeit Vorsichtsmaßnahmen für den Fall eines Nato-Luftangriffs getroffen. Die öffentlichen Stellungnahmen in Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Makedonien fallen zwar verhalten aus. Dafür gibt es hektische Aktivitäten hinter den Kulissen.

Vor allem in Bosnien-Herzegowina rechnen Nato-Mitarbeiter wie auch die zivilen Institutionen mit serbischen Reaktionen. Anlaß dafür ist die öffentliche Stellungnahme des Vizepräsidenten der serbischen Nationalistenpartei SDS, Dragan Cavić, der seinerseits mit Aktionen gegen Nato-Einrichtungen drohte, falls die Allianz Serbien angreifen sollte.

Diese Sprachregelung deutet auf mögliche Anschläge hin. Die Kommandostellen der SFOR- Truppen treffen bereits Sicherheitsmaßnahmen. Erwartet werden Anschläge auf kleinere SFOR- Basislager in der Republika Srpska. Nach der Drohung des serbischen Vizepräsidenten Vojislav Šešelj, Serbien werde bei einem Angriff der Nato „Deutschland den Krieg erklären“, könnten auch die deutschen SFOR-Truppen Ziel serbischer Anschläge sein. Zwar agieren nur wenige deutsche Truppen auf dem Gebiet der Republika Srpska, serbische Anschläge auf dem Gebiet der Föderation seien aber nicht auszuschließen, hieß es aus Quellen der Bundeswehr.

Im zivilen Bereich wären humanitäre Helfer in der Repubika Srpska bei einem Luftangriff in einer unangenehmen Lage. Sie wurden noch nicht zum Verlassen der Region aufgefordert, Pläne dafür liegen jedoch in den Schubläden. „Wenn die humanitären Helfer die Republika Srpska verlassen, steht der Angriff kurz bevor“, hieß es aus diplomatischen Quellen in Sarajevo.

Die bosnische Regierung versucht die Gefahren herunterzuspielen. Die muslimisch dominierte Bosnische Armee ist bisher nicht in Alarmbereitschaft versetzt worden. Dafür zeigen sich aber viele bewaffnete Polizisten in Sarajevo und an den Demarkationslinien zur Republika Srpska.

In dem mit Serbien verbundenen Teilstaat Jugoslawiens, Montenegro, forderte am Dienstag Präsident Milo Djukanović den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević auf, die Forderungen der UNO zu erfüllen, um einen Nato- Angriff abzuwenden. Montenegro selbst braucht keine Agriffe zu befürchten. Die jugoslawische Teilrepublik hatte schon im Juni Angriffe der Armee auf den Kosovo von ihrem Territorium aus unterbunden und die montenegrinischen Soldaten aufgefordert, Kosovo zu verlassen. Djukanović muß gleichwohl vorsichtig agieren und sich, wenigstens nach außen hin, solidarisch mit Serbien verhalten. Sein montenegrinischer Gegenspieler und Unterstützer der Politik Miloševićs, Mile Bulatović, wartet nur auf einen Fehler. In einer Kriegssituation könnten Bulatović und der serbische Geheimdienst die Gelegenheit zu einem Putschversuch gegen den prowestlichen Djukanović nutzen.

In dem südlich an Serbien und Kosovo angrenzenden Staat Makedonien ist die Öffentlichkeit in drei Teile gespalten. Die makedonischen Ex-Kommunisten, die derzeit das Land regieren, haben in den letzten Monaten ihre Fühler nach Belgrad ausgestreckt, zumal sich Teile der ansässigen albanischen Bevölkerung, die etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmacht, angesichts des Kosovo- Konflikts radikalisiert hat. Dagegen sind die makedonischen Nationalisten nach Ansicht von Beobachtern auf einen antiserbischen Gegenkurs eingeschwenkt. Ein Nato-Angriff würde die politischen Spannungen in Makedonien in jedem Falle verstärken. Erich Rathfelder