Kommentar
: Der Integrator

■ Wolfgang Schäuble will einen langsamen Generationswechsel in der CDU

Lange haben sie in der zweiten Reihe warten müssen, die 40jährigen in der CDU. Nach oben konnten sie nicht, weil die Plätze besetzt waren von den älteren Semestern, laut werden durften sie nur so weit, wie es Helmut Kohl nicht allzu sehr verärgerte. Jetzt, da der Patriarch abtritt, drängeln sie in die Spitzenämter: Roland Koch aus Hessen, Peter Müller aus dem Saarland, Christian Wulff aus Niedersachsen.

Das Tempo, mit dem sie vorpreschen, hat Wolfgang Schäuble abgebremst. Erneuerung, so der Fraktionschef, dürfe nicht bedeuten, daß nur eine Altersklasse in der Führungsstruktur vertreten sei. Schäuble weiß, daß eine Verjüngung seiner Partei zwar Aufmerksamkeit bringen würde. Strukturell aber hätte die CDU damit nichts gewonnen. Die Landesfürsten Wulff, Müller oder Koch stehen erst einmal für nichts anderes als für einen Personalaustausch. Der soll nun kommen, aber nicht so schnell und unkontrolliert, sondern sanft gesteuert durch Schäuble.

Instinktiv spürt er, daß die auseinanderstrebenden Kräfte in der Partei zusammengeführt werden müssen. Dazu gehören auch die „Alten“, zu denen auch Schäuble zählt, der seinen größten Erfolg, den Einigungsvertrag, unter Kohl vollbringen durfte. Die ergrauten Christdemokraten in den Spitzengremien sollen für Wiedererkennung sorgen in einer Zeit, da die Union nach einer neuen Identität sucht. Die „Jungen Wilden“ haben – noch – kein Rezept, mit dem die CDU in den nächsten Jahren verlorenes Terrain gewinnen kann. Vielleicht sind sie allein dazu auch gar nicht in der Lage. Bislang hält sie das Signet zusammen, was ihnen aber fehlt, ist eine ausreichende Schnittmenge an thematischen Gemeinsamkeiten.

Schäubles Aufgabe ist es, die Integration der Neuen in der Spitze zu organisieren und den überfälligen Diskurs in und mit der Partei zu beginnen. Die 40jährigen könnten dann seine Stichwortgeber sein und, falls nötig, Prozesse beschleunigen. Ähnlich hat die SPD ihren Übergang nach dem Ende der Schmidt-Ära vollbracht – wenn auch eher unfreiwillig. Erst in der Rückschau schält sich eine Linie heraus: Die Alten wie Hans-Jochen Vogel und Johannes Rau durften sich in erfolglosen Kanzlerkämpfen verbrauchen, während Willy Brandt schützend seine Hand über die Enkel legte. Nun sitzen sie im Kanzleramt. Severin Weiland

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