Die EU als Klimakiller

■ Europa will Handel mit CO2-Lizenzen international erleichtern

Berlin (taz) – Die Europäische Union geht mit windelweichen Vorgaben in die Verhandlungen auf der Weltklimakonferenz in Buenos Aires im November. Bei der zentralen Frage, in welchem Umfang sich die Industrieländer die CO2-Reduzierung anderer Staaten anrechnen lassen dürfen, haben die Umweltminister der 15 Staaten keine konkreten Zahlen festgelegt. Sie lehnten damit einen Vorschlag von Deutschland, Österreich und Dänemark ab, nach dem mindestens 50 Prozent der Verringerung des Kohlendioxidausstoßes eines Landes im Land selbst erbracht werden müssen. Höchstens 49 Prozent dürften demnach durch den Handel mit Verschmutzungslizenzen aus anderen Ländern angerechnet werden. Das hatte auch das Europaparlament gefordert.

Die Position der EU lautet nun, daß „nationale Maßnahmen Hauptmittel zur Umsetzung der Verpflichtungen sein sollen“, erklärte Franz Emde vom Bundesumweltministerium. Eine Obergrenze für den Handel mit den Lizenzen solle beim nächsten EU-Rat festgelegt werden – und der tagt im Dezember, einen Monat nach der Klimakonferenz. Dort wird die EU keine Vorreiterrolle wie noch bei der Konferenz in Kioto 1997 übernehmen.

Mit der EU entfällt die einzige bedeutende Staatengruppe, die für die Begrenzung des Handels mit den Lizenzen eintreten könnte. Die USA, Australien und Japan wollen den Handel völlig freigeben. Laut Vertrag von Kioto können Industrie- und Schwellenländer ihre nicht ausgeschöpften CO2-Kontingente frei handeln, mit denen andere Staaten dann weniger Reduzierung erbringen müssen.

Als „vollständige Kehrtwende der EU“ und „umweltpolitischen Offenbarungseid“ hat die bündnisgrüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer die Entscheidung der Umweltminister kritisiert. Die „bedingungslose Akzeptanz von faktisch unbegrenztem Emissionshandel“, der nun zu erwarten sei, zeige einen „Kniefall vor den USA“. Noch in Kioto habe sich die EU als „Klimaschutzmusterknabe“ aufgespielt. Auch Helmut Röscheisen, Generalsekretär des Deutschen Naturschutzrings, hält die Aufgabe des 50-Prozent-Ziels für einen „gewaltigen Rückschritt“. Er hoffe, daß eine rot-grüne Bundesregierung diesen „Wischiwaschi-Beschluß“ nachbessere und die anderen EU-Staaten mitziehe – als erste gemeinsame Amtshandlung eines grünen Umweltministers mit einem grünen Außenminister. Bernhard Pötter

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