„Ein regelrechtes Gerangel“

■ Nach dem plötzlichen Ausstieg des Hauptsponsors droht dem traditionsreichen Handballklub VfL Gummersbach der Untergang

Gummersbach (taz) – Mit dem VfL Gummersbach steht der erfolgreichste Handballverein der Welt durch einen möglichen Rückzug des Hauptsponsors vor dem wirtschaftlichen Aus. Das war in den vergangenen Jahren bereits einige Male der Fall, doch jetzt scheint die Lage ziemlich hoffnungslos zu sein, obwohl sich die anderen Bundesligisten solidarisieren, um dem Traditionsklub aus der Patsche zu helfen. Einige Konkurrenten haben bereits zugesichert, beim Gastspiel des VfL die Kosten für Anreise und Übernachtung zu übernehmen.

„Wenn ein Verein aus unserer Bundesliga unverschuldet in eine solch problematische Lage gerät, kann das den anderen nicht egal sein. Aus unserer Sicht liegt die Verantwortung eindeutig bei Gummersbachs Hauptsponsor, in dessen Abhängigkeit sich der Verein befindet“, sagt der Ligaausschuß-Vorsitzende Heinz Jacobsen. Als in Gummersbach vor Beginn der letzten Saison aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Lichter auszugehen drohten, schien der Vertrag mit der Kölner Investmentgruppe Maxima die letzte Rettung zu sein. Die Folgen dieses Trugschlusses bekommen die Gummersbacher nun schmerzlich zu spüren. „Maxima hat vor gut einer Woche alle Verträge mit uns gekündigt, was unserer Meinung nach rechtlich nicht möglich ist“, schimpft Ernst- Albrecht Lenz, der Leiter der Handballabteilung in Gummersbach, „nun befinden wir uns in einem regelrechten Gerangel.“

Die Verantwortlichen bei Maxima wollten offensichtlich durch das Engagement einen möglichst schnellen Imagegewinn erzielen. Vermutlich ließen sie sich vom großen Namen des Klubs blenden und unterschätzten dessen wirtschaftliche Marodität. Nun will sich Maxima aus der Verantwortung zurückziehen, was dem Verein seine Existenzgrundlage entziehen würde. Momentan erscheint es mehr als fraglich, ob die Mannschaft von VfL-Trainer Thomas Gloth bis zum Ende der laufenden Saison in der Bundesliga wird mitmischen können.

Die spontane Schützenhilfe aus der gesamten Liga ist nicht ganz uneigennützig. Die Handballbundesliga befindet sich in einer für sie äußerst wichtigen Phase. Im April wurde die Hamburger PR-Agentur Köster + Co., die bereits die Berliner Schwimmerin Franziska van Almsick zum omnipräsenten Medienstar machte, beauftragt, die Öffentlichkeitsarbeit für die Liga zu übernehmen. Bislang waren Handballbundesligaspiele in erster Linie regionale Ereignisse. Wen interessierte schon in Essen, was in Bad Schwartau oder Niederwürzbach passierte? Das soll nun anders werden. „Wir wollen die Handballbundesliga als Einheit von überregionaler Relevanz etablieren. Vor allem sind wir bemüht, Handball präsenter in den Medien zu machen“, sagt Frank Schneller von Köster + Co.

Ähnlich wie im Fußball wurde zu diesem Zweck ein Logo entwickelt, das für die gesamte Liga steht. „Daß die Bundesliga als stärkste Liga der Welt gilt, haben wir natürlich auch gerne aufgenommen und versuchen, das als eine Art Slogan zu etablieren“, so Schneller. Auf zu neuen Ufern also. Da paßt es gar nicht ins Bild, wenn ein Verein, der Handballgeschichte geschrieben hat, nicht Schritt halten kann. Sollte Gummersbach aus dem laufenden Wettbewerb genommen werden müssen, droht der ganzen Liga ein Imageverlust.

Bei aller Solidarität aus der Liga steht und fällt das Schicksal des VfL Gummersbach aber mit dem Engagement von Maxima. Es sei denn, es findet sich schnell ein anderer Sponsor. Denn lange wird sich der Verein nicht mit den Almosen der Konkurrenz über Wasser halten können. Wenigstens die Austragung des morgigen Auswärtsspiels gegen den VfL Bad Schwartau ist aber gesichert. „Wir spielen am Sonntag“, sagt Gummersbach-Chef Lenz.

Hoffentlich steht bis dahin ein Bus zur Verfügung. Als die Spieler im August einmal kurzfristig ihre vom Sponsor gestellten Autos abgeben mußten, wurden sie von ihren Frauen vom Training abgeholt oder liefen nach Hause. Ob die Hilfsbereitschaft der morgigen Gegner so weit reicht, muß bezweifelt werden. Und zu Fuß ist es von Gummersbach bis Bad Schwartau auch bei gutem Willen etwas zu weit. Michael Becker