Die Titanic und die Titanic im Kopf

■ Sind Schiffsunglücke und Flugzeugabstürze wirklich „Tragödien der Technik“? Eine ZDF-Doku gibt Auskunft (Teil 1: So., 19.30 Uhr, ZDF)

Der Mensch ist kein Fisch. Er hat keine Kiemen und muß untergehen. (Gelegentlich jedenfalls.) Damit ihm das nicht allzu oft passiert, baut sich der Mensch Schiffe. Doch wenn so ein Schiff dann „Titanic“ heißt, nutzt ihm das wenig.

Im Gegensatz zum unglücklichen Ozeanriesen, kommt das Wort Titanic seit 1912 erstaunlich gut an. Folgerichtig, wenngleich etwas unbeholfen, heißt der erste Teil der zweiteiligen ZDF-Techniktragödiendoku denn auch: „Auf Kurs Titanic – Der Mensch und das Meer“. An Bord hat die Dokumentation allerdings bloß allerlei Seefahrerstatistik, Bilder von Möwen und Seefahrtshistorie, Bilder von Radarzentralen, ein bißchen Lexikonwissen und Archivschnipsel zur „Estonia“, „Andrea Doria“ und „Titanic“ natürlich, sowie reichlich Allerweltsgefasel über „Mythos“, „Hybris“ und „die Titanic im Kopf“, wie es Holger von Neuhoff von der Hamburger Titanic-Ausstellung so hübsch ironiefrei zusammenzufassen weiß.

Irgendwann fragt man sich, was einem denn hier wieder verkauft werden soll: vorvorweihnachtliche Katastrophenbesinnlichkeit etwa? Oder als Alles-ist-eitel-Defätismus getarnte Sensationsberichterstattung?

Dabei waren die beiden Dokumentaristen Friedrich Steinhardt und Gabriele Wengler doch offensichtlich sogar auf der „QE II“, dem letzten Transatlantik-Liner, mitgefahren. Zu sehen bekommt der Zuschauer davon aber bloß stumpfe Bilder einer Ernstfallübung und John Maxtone Graham – ein „renommierter britischer Seefahrtshistoriker“ (ZDF) und alternder Besserwisser, der an Bord seine Titanic-Bücher signiert und abends vor Publikum darüber philosophiert, wie es die Titanic- Geiger wohl fertigbrachten, mit angelegter Schwimmweste ihren letzten Walzer zu spielen...

Glücklicherweise aber ist der Mensch nicht nur kein Fisch, sondern außerdem auch kein Vogel. Und darum gibt es eine Woche später der Tragödien zweiten Teil. Über Flugzeugabstürze. Das ist dann (zumindest für Leute mit Flugangst) sogar einigermaßen interessant. Und wenn sich die Filmemacher schließlich an die Rekonstruktion des 44minütigen Absturzes einer DC-10 auf dem Flughafen Sioux City/USA machen, wird es regelrecht spannend – bis sich der Off-Kommentar wieder zu Wort meldet und sein finales Credo in die Welt babbelt: „Freiheit mit Anarchie zu verwechseln ist naiv. Im Gegenteil: Freiheit ist das Anerkennen von Regeln. Freiheit stellt sich nicht von außen ein, sie muß geschaffen werden – immer wieder und von neuem.“

Nein, der Mensch ist kein Fisch. Er hat Mikrofone. Das ist tragisch. (Gelegentlich jedenfalls.) Christoph Schultheis

Teil 2: „Himmelfahrtskommando – Der Mensch und die Lüfte“, So., 18.10., 19.30 Uhr, ZDF

Teil 3 („Auf Crashkurs – Der Mensch und die Autobahn“) und Teil 4 („Sendungsbewußtsein – Der Mensch und das Fernsehprogramm“) waren nie geplant.