Ein Dinosaurier vor der Wiederwahl

Bei den morgigen Präsidentschaftswahlen in Aserbaidschan gilt der Sieg des amtierenden Staatschefs Haider Alijew bereits als sicher. Die nötige Vorarbeit dafür hat er geleistet: Die Opposition ist ausgeschaltet  ■ Von Jürgen Gottschlich

Istanbul (taz) – Kerim Kerimov ist zwar kein Wahlforscher, aber am Ausgang der Präsidentschaftswahlen hat er dennoch keinen Zweifel: „99 Prozent werden für Präsident Haider Alijew stimmen“, gab der leitende Ingenieur der staatlichen aserbaidschanischen Ölgesellschaft SOCAR gegenüber der türkischen Daily News zu Protokoll. Kerimov weiß auch, warum: „Alijew ist seit den 70er Jahren ein guter Führer. Der Lebensstandard ist unter ihm ständig gestiegen.“ Die Massen lieben ihn und die „business community“ stehe hinter ihm.

Tatsächlich wird für den amtierenden Präsidenten Aserbaidschans bei der morgigen Wahl nicht viel schiefgehen. Alijew ist nicht nur seit den 70er Jahren ein erfolgreicher Führer, er hat auch viel dafür getan, daß er es bleibt. Oppositionelle Gruppen haben im nunmehr seit acht Jahren unabhängigen Aserbaidschan nicht viel zu melden, und das ist ganz wesentlich dem Überlebenswillen des Präsidenten geschuldet. Seine Leute kontrollieren nicht nur das Parlament, sondern auch die Presse und die Wahlkommission. Wie umfassend diese Kontrolle ist, verdeutlicht ein Witz, der derzeit in Baku kursiert. Danach hat Alijew nicht nur für seinen Sieg gesorgt, sondern auch festgelegt, daß es nicht mehr als 75 Prozent für ihn werden dürfen. Sonst wäre es ja nicht demokratisch.

Aufgrund der umfassenden Präsenz des Präsidenten hat die Opposition bereits vor Wochen verkündet, sie werde die Wahl boykottieren. Ein letzter Versuch der Volksfront, dem größten oppositionellen Zusammenschluß des Landes, doch noch Einfluß auf die Wahlen zu nehmen, scheiterte Mitte September. Die größte Demonstration in Baku seit dem Amtsantritt Alijews 1993 endete in einer Straßenschlacht mit der Polizei mit Hunderten Schwerverletzten. Seitdem ist Ruhe im Karton. Selbst die mit Alijew intim befreundete türkische Regierung mahnte kürzlich, man hoffe, die Wahlen würden unter fairen und freien Konditionen stattfinden, die es erlauben, daß die Opposition doch noch teilnimmt. Das würde international einen besseren Eindruck machen.

Doch obwohl die internationale Gemeinschaft mit rund 700 Wahlbeobachtern über die OSZE und andere Organisationen morgen in Baku präsent sein wird, ist es den Vertretern des Auslands völlig gleichgültig, wie Alijew gewinnt. Hauptsache er gewinnt wirklich. Nicht nur die Massen und die „Businessmeni“ lieben Alijew, auch die Statthalter der internationalen Ölkonzerne setzen auf den alten KGB-Mann. Tatsächlich war es Alijew, ehemaliger Chef der KP der Sowjetrepublik Aserbaidschan und in dieser Eigenschaft bereits Regierungschef von 1969 bis 1982, dem es 1993 gelang, das Land vor dem Chaos zu retten.

Sein Vorgänger Ebulfeyiz Elcibey, Orientalist und intellektueller Dissident im Sowjetreich, zeigte sich als Regierungschef einer plötzlich selbständig gewordenen Republik völlig unfähig. Unter seiner Verantwortung führte Aserbaidschan den nationalistisch hochgeputschten Krieg um Nagorny Karabach, den Aserbaidschan schmachvoll verlor. Die Folge davon war, daß einer der Feldkommandanten gegen Elcibey putschte. In höchster Not reaktivierte Elcibey damals den bereits in die Provinz abgeschobenen Alijew, der kurzerhand selbst die Macht übernahm. Anschließend ließ Alijew wählen und bekam im Oktober 1993 satte 98,8 Prozent.

Seitdem überstand Alijew nicht nur mehrere Putschversuche, sondern schaffte es, den Ölreichtum des Kaspischen Meeres für sich, seinen Clan und einen Teil der restlichen Bevölkerung gewinnbringend auszubeuten. Gegen Rußland schloß Alijew Verträge mit westlichen Ölkonzernen ab und sicherte sich so die Protektion Washingtons. Alijew balancierte das Verhältnis zu Iran und Rußland geschickt aus, drängte die Islamisten in den Untergrund und legte den Krieg um Karabach auf Eis. Dies alles, um für die Ölkonzerne stabile Investitionsbedingungen zu schaffen. Auf das Geld der Ölkonzerne hofft ganz Aserbaidschan. Obwohl sich in Baku bereits Unmut breitmacht, daß das Geld in wenigen Taschen verschwindet, sind sich alle unabhängigen Beobachter einig, daß Alijew auch freie und faire Wahlen gewinnen würde. Doch dieser Gedanke ist ihm offenbar völlig fremd.