Italien war etwas moderner geworden

■ Romano Prodi machte das Land nicht nur Euro-tauglich, sondern kämpfte auch erfolgreich gegen den wuchernden Bürokratiedschungel

So recht versteht in Italien nicht einmal die Opposition, warum Ministerpräsident Romano Prodi ausgerechnet jetzt gestürzt worden ist. Sicher, die politische Konstellation mit dem unberechenbaren Egomanen Bertinotti, Führer der Kommunisten, war schon immer gefährdet; aber politisch hat Prodi eigentlich so ziemlich gehalten, was er einst den Wählern versprochen hatte.

Und das gilt nicht nur für den Zutritt Italiens zur ersten Gruppe der Euro-Länder, der bis zuletzt völlig fraglich war und den sonst wohl niemand außer Prodi mit seiner freundlichen, mitunter allerdings auch bissigen Zähigkeit durchgesetzt hätte. Pluspunkte kann „Don Romano“, der gerne als fromm predigender Priester mit schwarzen Talar und breitrandigem Hut gezeichnet wird, auch in Sachen Haushalt buchen — zum dritten Mal hat er, anders als alle früheren Regierungen in Italien, den Entwurf rechtzeitig und nicht erst im schon angelaufenen Jahr vorgelegt.

Dazu kann er Erfolge bei der Reform der Verwaltung, bei der Entrümpelung des Ministeuern- Dschungels oder der Bildungspolitik vorweisen. Erstmals sind viele Ämter auch nachmittags offen; erstmals gibt es eine moderne Ausbildung für Beamte, die bisher lediglich ab und zu auf ein Schwätzchen zu Fortbildungsveranstaltungen gefahren sind.

Steuersenkungen waren Prodis größte Leistung

Abgeschafft wurden die unzähligen Steuer- und Stempelmarken auf Führer- und Kraftfahrzeugscheinen; amtliche Bestätigungen für völlig irrelevante bürokratische Vorgänge sind nun nicht mehr nötig oder können durch einfache formlose Erklärungen ersetzt werden. In der Universität versucht Italien, sich langsam europäischen Normen anzugleichen, führt mehr Flexibilität und weniger Kathederpädagogik ein, überträgt Schulleitern managerartige Kompetenzen und wertet beim Abitur neuerdings nicht mehr nur die Schlußexamen, sondern die Erfolge der letzten drei Jahre.

Prodis weitaus größte Leistung jedoch ist zweifellos die erstmals seit mehr als drei Jahren erfolgte reale Steuersenkung für niedrige Einkommen, die Befreiung von Abgaben für die eigene Wohnung, die Wiedereinführung der kostenlosen Krankenversorgung für breitere Schichten als bisher. Dazu sollte am Ende des Jahres auch noch die Rückzahlung von 60 Prozent des 1996 eingezogenen Euro- Solidaritätszuschlags kommen – die nun, nach dem Sturz der Regierung, aber wohl nicht mehr erfolgen kann.

Natürlich hat Prodi-Killer Bertinotti auch in nicht wenigen Dingen recht. Der Süden Italiens kommt in der Tat nicht in Fahrt. Die Förderung der Industrie durch Steuererleichterungen bis zu umgerechnet 3.000 Mark für die Verschrottung von Autos und Motorrädern beim Neukauf hat am Ende zwar einen Absatzboom und damit schöne Zusatzueinkommen für Firmen- und Aktienbesitzer, aber nur wenig neue Arbeitsplätze gebracht. Doch ein Land, das vierzig Jahre eher im Krebsgang marschiert ist, kann wohl auch keine Wunder von heute auf morgen erwarten.