Komik in der Andacht

■ Steptext und Co. zeigten zwei neue Choreographien beim „Input“-Festival

Bloß nicht alt werden. Auf keinen Fall. Sie lassen einen dann nämlich nicht in Ruhe, sie sperren einen ein, sie protzen mit ihrer Jugendlichkeit und Sexualität, und wenn man dann endlich gestorben ist, sind se nüscht wie raus nach Südsee. Übel das. Richtig übel, wenn es nicht so komisch wäre.

Helge Letonja, Ex-Tänzer im Ensemble von Susanne Linke und Urs Dietrich, hat wieder choreographiert. „Sauve qui peut“ – „Rette sich wer kann“ – heißt das neue, in Coproduktion mit dem Cottbuser Projekt „tanz-kult“ entstandene Stück seiner „steptext dance company“. Es war jetzt bei den Input-Theatertagen im Concordia zu sehen – und hätte mehr als zwei Aufführungen verdient.

Der im österreichischen Leoben geborene Helge Letonja ist einer dieser Jungen Choereographen, bei dessen Inszenierungen auch mal ein Lachen die Andacht stören darf. Und es scheint, daß er sich immer mehr Witz zutraut.

Auf einer beinahe leeren Bühne liegen fünf Autoreifen, die mal als Altersruhesitz, mal als Gefängnis, mal als Sarg und mal als Liegestühle dienen. Auftritt Mihai Radulescu, der in die Großvaterrolle schlüpft. Mit chaplineskem Gespür setzt er einen durchgefühlten tragikomischen Punkt. Erst im Kontrast dazu wirken die Gebärdensprache, die Prince-Parodie, das wilde Autoscooter-Spiel der anderen drei TänzerInnen (Barbora Kryslová, Steffen Eckert und Elena Sommer) absurd statt albern, grotesk statt plump und hintersinnig komisch statt bloß witzig. Helge Letonja scheint die Komik nicht nur zu suchen, sondern immer gekonnter in die Schwebe zwischen Gag und Feinsinn zu bringen.

Poetischer, unkomischer, aber deswegen gar nicht schlechter choreographiert Bettina Owczarek. „erwachen“ heißt ihr kurzes Tanzgedicht über das Werden und Vergehen. Eine Tänzerin balanciert auf einem Sandgebirge am Bühnenende. Unter einem Tuch erwacht ein Menschenknäuel zum Leben und drängt ins Freie. Jeweils sekundenkurz deuten die beiden und zwei weitere TänerInnen so etwas wie kleinkindliche Nachahmung, Erziehung, Aufwachsen, Romanzen, Eifersucht, Erwachsen sein und Sterben an. Das schon in Letonjas Stück mitwirkende gute TänzerInnen-Quartett läßt Crecscendo und Innehalten einander abwechseln. Nicht immer wirken die Decres-cendi schlüssig. Aber vielleicht ist es im Tanz bloß so wie im Leben selbst. Christoph Köster

Die „Input“-Theatertage dauern noch bis zum 24. Oktober. Sabine Seume zeigt morgen, 13. Oktober, und Mittwoch um 20.30 Uhr ihre Butoh-Performance „Götterspeise“. Am Samstag und Sonntag folgt jeweils um 20.30 Uhr die Compagnie „Labor Gras 888“ mit ihrem Tanztheaterstück „Idyll“. Mit Barbara Wellers „Die Ratte“ steht am 20. und 21. Oktober um 20.30 Uhr die nächste Bremer Premiere auf dem „Input“-Programm im Concordia.