Headbangen und Bauchtanzen

■ Von wegen Rai-Crooner: Rachid Tara rockte den Pfefferberg

Abwechslung hält fit. Vor zwei Wochen erst stand Rachid Taha bei einem Gala-Konzert im Sportstadion von Bercy bei Paris mit den beiden Rai-Superstars Khaled und Faudel auf der Bühne, begleitet von einem 30köpfigen ägyptischen Streichorchester. Bombast pur. Am Samstag fand er sich im viel intimeren Berliner Pfefferberg wieder, vor ein paar hundert Zuschauern in bester verrauchter Clubatmosphäre und damit ganz in seinem Element.

Denn, auch wenn es gelegentlich so hingestellt wird: Rachid Taha ist kein Rai-Crooner, er ist ein Enfant du Rock. Als solcher kann er zwar durchaus, wie auf seinem jüngsten Album „Diwan“ der Fall, Klassiker des Rai covern als Hommage an die Großen des Genres. Aber er verfährt damit wie die Pogues mit dem irischem Volkslied oder Guildo Horn mit dem deutschen Schlager: Er verbeugt sich musikalisch vor dem Genre, aber er konterkariert dessen Ästhetik. Oder aber, so kann man es auch sehen, gibt ihm erst die passende Gestalt. Traditionsbruch und -pflege jedenfalls gehen Hand in Hand.

Den schmierigen Charme des Chaabi, des maghrebinischen Schlagers, kitzelt Taha heraus, indem er ihn genüßlich zelebriert. Seine Band – im schlechtsitzenden Anzug und leicht abgerissener Gosseneleganz, wie es sich für eine französische Punkkapelle gehört – interpretiert die Stücke stilgerecht mit Oud und Darbuka-Percussion, aber gibt ihnen mit Gitarre und Schlagzeug einen gehörig schmutzigen Wumms dazu.

Taha konzediert das mit schiefem Grinsen: That's Entertainment, und außerdem zwingend tanzbar. Freistil freilich, denn zu den nordafrikanischen Evergreens, die Tahas Band akkurat verrockt, kann man genausogut Headbangen wie Bauchtanzen. Was Taha selbst aber nicht liegt: Als müsse er ein schweres Hüftleiden kaschieren, so unbeholfen läßt er sein Becken kreisen; das Spiel mit orientalischer Ethno-Exotik ist seine Sache nicht. Jeder Anfänger lernt das schon im ersten Bauchtanz-Grundkurs besser. Taha dagegen hebt lediglich ironisch sein Hemd, das längst bis zum Nabel offen ist, und wackelt unbeholfen mit der Hüfte. Nur so zum Spaß. Zwischendurch dreht er sich auch mal für eine Weile mit dem Rücken zum Publikum. Oder er setzt sich hin und zündet sich eine Zigarette an, während die nächste Melodie schon vom Keyboard kommt.

Musikalisch ist die Bandbreite enorm. Von den populären Chaabi-Klassikern ausgehend, mit denen er heute hausiert, endet er bei den technoinduzierten Tracks früherer Tage. Dazwischen postieren sich an einer Stelle zwei Männer mit großen Rundtrommeln hinter Rachid Taha und geben den schweren Beat der Kabylei vor. Denn, wie Taha anmerkt, „Algerien besitzt nicht nur Erdöl und Gas, sondern auch die Kultur der Berber“. Gegen Ende schlägt er textlich den Bogen zum Ort des Geschehens. In seiner Hymne an das Einwandererviertel „Barbès“ ändert er den Refrain sinnig in „Berlin“ ab.

„Ya Rayah“, seine Hit der letzten Saison, hatte Rachid Taha bereits eingangs vom Stapel gelassen. Der Song ist längst größer geworden als sein Interpret. Aber Taha nimmt's gelassen, zeigt Größe und spielt ihn als Zugabe noch ein zweites Mal. Daniel Bax