Personaldebatte voll entbrannt

■ Wirtschaftssenator Pieroth (CDU) kündigt Amtsverzicht an, SPD-Fraktionschef Böger will jeden beliebigen Nachfolger wählen. Senatssprecher: Regierungsumbildung ist "Spekulation"

Berlin (taz) – Zwei Wochen nach der Bundestagswahl brechen auch in der Berliner CDU die Dämme. Die Ankündigung von Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU), sein Amt im Fall einer Senatsumbildung aufzugeben, gab der Personaldebatte in der Partei am Wochenende neuen Schwung. Auch im Nachabrland Brandenburger dreht sich das Personalkarussell der CDU. Berlins Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) erklärte gestern, er sei grundsätzlich bereit, den Vorsitz der CDU in Brandenburg zu übernehmen. Schönbohm war von dem Potsdamer Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Hackel als Nachfolger des zurückgetretenen Landesvorsitzenden Peter Wagner ins Gespräch gebracht worden. Für eine eigene Kandidatur hatte Hackel in den Parteigremien keine ausreichende Unterstützung gefunden.

Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hatte bisher eine Ablösung des amtsmüden Pieroth offiziell stets abgelehnt. Seit klar ist, daß Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) als Ministerin nach Bonn geht, hat sich die Lage aber verändert. Jetzt gilt es als wahrscheinlich, daß die CDU die Wahl eines Bergmann-Nachfolgers nutzt, um auch eigene Senatoren auszutauschen.

Zwar bezeichnete Senatssprecher Michael-Andreas Butz solche Überlegungen erneut als „Spekulationen“. Doch SPD-Fraktionschef Klaus Böger heizte die Personaldebatte in der CDU mit der Bemerkung an, seine Partei werde bei einer Regierungsumbildung neue CDU-Senatoren unterstützen. Vorgezogene Neuwahlen strebe die SPD nicht an. Diepgen solle jetzt endlich offiziell einen neuen Wirtschaftssenator nominieren.

Im Gespräch ist dafür Pieroths bisheriger Staatssekretär Wolfgang Branoner (CDU). Für ihn soll sich auch CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky ausgesprochen haben. Das Problem: Branoner gehört zwar zur jüngeren Generation der Berliner CDU, nicht aber zu dem rechten Rebellenflügel „Union 2000“. Dessen Protagonisten wollen, sollte Branoner Senator werden, auch einen der Ihren am Kabinettstisch sehen: Verkehrs-Staatssekretär Ingo Schmitt (CDU) könnte den Diepgen- Freund Jürgen Klemann (CDU) als Verkehrssenator ablösen. Das wäre indessen eine herbe Schlappe für Diepgen, und gilt deshalb vorerst als unwahrscheinlich.

Angezählt ist auch Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU). Für die Frau aus dem Osten spricht allein die Doppelquote. Mit ihr im Rücken konnte sie zuletzt die Ablösung ihres renitenten Staatssekretärs Detlef Orwat (CDU) durchsetzen. Dessen Nachfolge ist ebenfalls ungeklärt. Sollte Branoner Senator werden, könnte Orwat aber dessen Posten einnehmen. Dann wäre Orwats Stelle für einen Experten frei. rab