Rot-Grün bei Steuer einig Atomausstieg umstritten

■ Verhandlungsdelegationen einigen sich auf Senkung des Spitzensteuersatzes und Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen. Noch keine Einigung bei Atomausstieg

Berlin (dpa/taz) – SPD und Grüne haben sich auf Einzelheiten der geplanten Steuerreform verständigt. Die Reform solle in drei Stufen bis zum Jahre 2002 in Gang gesetzt werden. Das teilte der SPD- Vorsitzende Oskar Lafontaine nach der gestrigen Sitzung der Koalitionspartner mit. Der erste Schritt werde bereits zum 1. Januar 1999 von der neuen Regierung verwirklicht. Unter anderem solle das Kindergeld von 220 auf 250 Mark erhöht und der Eingangssteuersatz auf 23,9 Prozent gesenkt werden. Vereinbart worden sei, der Spitzensteuersatz bis 2002 von derzeit 53 auf 48,5 Prozent zu senken sowie das Kindergeld dann auf 260 Mark zu erhöhen. Die steuerliche Entlastung für eine durchschnittliche Arbeitnehmerfamilie betrage 2.700 Mark im Jahr, sagte Lafontaine weiter.

Nach den Worten von Grünen-Vorstandssprecher Jürgen Trittin werden durch die geplante Steuerreform vor allem untere und mittlere Einkommen entlastet. Das Volumen betrage insgesamt 54 Milliarden Mark. Dem stehe eine Gegenfinanzierung von 44 Milliarden Mark vor allem durch das Schließen von Steuerschlupflöchern gegenüber. In dem „gemeinsamen Kraftakt“ sei es gelungen, die Entlastung des Normalverdieners bei gleichzeitiger Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zu erzielen.

Umstritten blieb gestern aber die Frage des Atomausstieges. Offenbar gelang es einer Runde der Spitzenpolitiker beider Parteien nicht, sich hierzu auf Kompromißlinien zu einigen. Von beiden Seiten hieß es, die Verhandlungen seien sehr hart. Ludger Volmer von den Grünen meinte dazu, auf SPD-Seite sei weder Geschlossenheit noch Präzision in der Verhandlungsführung erkennbar.

Die Koalitionsverhandlungen werden von weiteren Hiobsbotschaften über neue Haushaltsrisiken und Steuermindereinnahmen in einem Umfang von rund 50 Milliarden Mark überschattet. Mehr als die Hälfte dieser bis zum Jahr 2001 befürchteten Steuerausfälle gehen zu Lasten des Bundes. Dies wurde gestern am Rande der Verhandlungen bekannt. Unter Berufung auf Zahlen des „Arbeitskreises Gesamtwirtschaftliche Vorausschätzung“ hieß es, allein 1999 würden Steuermindereinnahmen von 8,3 Milliarden Mark erwartet. Im Folgejahr werde das Minus auf 16,6 Milliarden Mark anwachsen, 2001 seien es sogar 25 Milliarden Mark.

Wie gestern weiter bekannt wurde, will der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine den Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering heute als neuen Fraktionsvorsitzenden bei einer Sitzung des Parteivorstandes vorschlagen. Es gilt sogar als möglich, daß der Parteivorsitzende damit auch eine Vertrauensfrage verbindet. Bei einem Gespräch am gestrigen morgen hatte Lafontaine Fraktionschef Rudolf Scharping nicht dazu bewegen können, seine neue Kandidatur für dieses Amt zurückzuziehen und im neuen Kabinett das Verteidigungsministerium zu übernehmen.

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