„Ein Wunder, daß nicht mehr passierte“

Gasexplosion zerstörte gestern ein fünfstöckiges Bürohaus in Hamm  ■ Von Herdis Lüke

Der Schock steht Sanela und Slavica Slevic ins Gesicht geschrieben. Ihre Wohnung ist übersät mit Scherben – ob Wohnzimmer, Schlafzimmer oder Küche. Die serbische Familie wurde wie viele ihrer Nachbarn an der Eiffe-/Ecke Dialogstraße in Hamm am frühen Montag morgen durch einen ohrenbetäubenden Knall aus dem Schlaf gerissen. Direkt gegenüber war ein fünfgeschossiges Bürohaus explodiert und in Flammen aufgegangen. Unmittelbar daneben liegt eine Shell-Tankstelle.

Bleich wartet Dennis Kremmeike auf seinen Chef. Der 19jährige hatte Nachtschicht an der Tankstelle. „Ich hörte einen lauten Knall, alles verschwand in schwarzem Rauch“, erzählt er sichtlich erschüttert. „Ich lief nur einfach raus, ich wußte gar nicht, was los war. Im ersten Moment dachte ich gar nichts.“

„Ein Wunder, daß uns nicht mehr passiert ist. Bei uns flogen die Scheiben des Schlafzimmerfensters ins Bett. Mein Freund hat sich nur am Fuß geschnitten“, berichtet die 28 Jahre alte Britta Henke. „Erst dachte ich, die Tankstelle sei in die Luft geflogen.“

Das Bürohaus war gegen 3.40 Uhr durch eine Gasexplosion in Flammen aufgegangen. Wie durch ein Wunder wurden nur zwei Menschen leicht verletzt. Das Gebäude brannte vollständig aus und droht einzustürzen. Nach Polizeiangaben entstand ein Schaden in Millionenhöhe. Die Pumpen der Erdtanks einer unmittelbar angrenzenden Tankstelle wurden sofort abgestellt, ein Übergreifen des Feuers konnte verhindert werden. Rund vier Stunden lang bekämpften rund 100 Feuerwehrleute die immer wieder auflodernden Flammen. Die Bauprüfabteilung und die Polizei ermitteln.

Aufgrund des Feuers konnten Arbeiter der Hamburger Gaswerke erst um 7 Uhr ein Loch vor dem Haus graben, um die Zuleitung zu dem Haus „abzuschieben“, sagte Roland Bombe, Sprecher von „Heingas“. In den Keller, wo die Explosion vermutlich ihren Ursprung hatte, konnten die Arbeiter bislang nicht vordringen.

Bewohnt war nach Angaben der Feuerwehr nur der Seitenflügel des Gebäudes. Im Vorderteil waren Gewerbe- und Bürobetriebe untergebracht. „Es ist ein Wunder, daß nicht mehr passiert ist. Zu einer anderen Tageszeit hätte es mehr Verletzte und vielleicht sogar Tote gegeben“, sagte ein Feuerwehrmann.

Im gegenüberliegenden Wohnblock hatte die Wucht der Explosion Fensterscheiben zertrümmert, Türen und Fenster aus den Rahmen gerissen und Dächer teilweise abgedeckt. Zehn am Straßenrand abgestellte Autos wurden beschädigt, einige davon gingen in Flammen auf. Die Explosion war so gewaltig, daß eine Stahltür des Gebäudes 50 Meter weit durch die Luft flog. Am Ort des Unglücks sah es noch gestern nachmittag aus wie auf einem Schlachtfeld: Überall Glasscherben, Dachziegel, aus den Rahmen gerissene Fenster und Türen, zerbeulte und völlig verbrannte Autos, von denen einige von ihrem Parkplatz durch die Wucht der Explosion regelrecht weggefegt wurden.

In Anorak oder Mantel standen die Mieter an den zerborstenen Fenstern ihrer Wohnungen, ratlos angesichts der Schäden. Wind und Regen peitschten durch die scheibenlosen Fenster. Das Bezirksamt Mitte erklärte, sich darum zu kümmern, daß die Bewohner in Hotels untergebracht werden, wenn es notwendig ist, und daß schnell die Reparaturen ausgeführt werden.

Feuerwehrmänner halfen den Bewohnern, die Scherben aus ihren Wohnungen zu entfernen und die Fenster und Türen abzusichern. „Es sieht schlimm aus. Aber was haben wir doch ein Glück gehabt. Wenn die Tankstelle auch in die Luft geflogen wäre, dann gäbe es uns nicht mehr“, sagte eine junge Frau.