Streit um Pflegekosten geht weiter

■ Sozialamt weigert sich weiter, alle Pflegekosten für Schwerstbehinderte zu übernehmen. Ein Gericht hatte sie in ein Heim eingewiesen, das ihr aber nach internen Streits wieder kündigte

Ende des Monats droht erneut ein Streit um die künftige Wohnform der fast vollständig spastisch gelähmten Annemarie Stickel an. Denn das Spandauer Sozialamt will weiterhin nur weit geringere Pflegekosten übernehmen, als Stickel, ihre Rechtsanwältin und ihr Pflegedienst für notwendig erachten. Dieser Streit hatte im August dazu geführt, daß Stickel gegen ihren Willen in einem Heim untergebracht wurde (die taz berichtete).

Nach langen Auseinandersetzungen hatte das Amt im September zugesagt, die Kosten von Stickels Pflege in ihrer eigenen Wohnung für den Monat Oktober zu übernehmen – mit zwei Auflagen: Bis Anfang November soll die schwerstbehinderte Rollstuhlfahrerin in eine billigere Wohnung umziehen, zudem soll über technische Hilfsmittel wie ein Notrufsystem ihr Pflegebedarf von derzeit 24 auf 12 bis 14 Stunden gesenkt werden.

Das Problem: Bislang sind keine Hilfsmittel gefunden worden, die die 37jährige Schwerstbehinderte bedienen kann. Doch auch mit solchen Hilfsmitteln sei klar, so Christa Schwarz von Stickels häuslichem Pflegedienst, „ein Pflegebedarf von 12 oder 14 Stunden ist nicht ausreichend“. Diesen aber hat eine Spandauer Amtsärztin in einem Gutachten für Stickel festgelegt. Damit weicht sie stark von der Meinung ihrer KollegInnen aus Reinickendorf ab: Diese hatten Stickel zuvor einen 24stündigen Pflegebedarf bescheinigt.

Die Auseinandersetzung zwischen dem Spandauer Sozialamt und der Schwerstbehinderten hat eine lange Vorgeschichte: Im August vergangenen Jahres hat sich Stickel, die fast ihr ganzes Leben im Heim verbracht hat, einen Traum erfüllt. Sie war – allerdings ohne zuvor eine Kostenübernahme des Sozialamtes einzuholen – in eine eigene Wohnung gezogen und wurde dort von der Pflegeeinrichtung „Ambulante Dienste“ betreut.

Das Spandauer Sozialamt lehnte mit Rückendeckung von Bezirksbürgermeister und Sozialstadtrat (beide CDU) die Übernahme der häuslichen 24-Stunden- Pflege ab. Sie hätte monatlich 21.000 Mark gekostet. Das Amt wollte Stickel im Evangelischen Johannisstift unterbringen, was etwa 10.000 Mark billiger gewesen wäre. Monatelang übernahmen die „Ambulanten Dienste“ die Differenz, mußten diese Unterstützung im Mai jedoch aus finanziellen Gründen aufkündigen.

Daraufhin versuchte Stickel per Gerichtsbeschluß das Spandauer Sozialamt zu verpflichten, die Kosten der 24-Stunden-Pflege zu übernehmen. Denn ins Heim zurück wollte die Frau auf keinen Fall. Doch das Gericht lehnte den Antrag ab: Nach dem Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) kann ambulante Pflege verweigert werden, „wenn eine geeignete stationäre Hilfe zumutbar und eine ambulante Hilfe mit unverhälnismäßigen Mehrkosten verbunden ist“. Damit erkärte das Gericht die Heimunterbringung Stickels gegen ihren erklärten Willen für Rechtens; am ersten August mußte sie in das Spandauer Johannisstift. Doch lange blieb sie dort nicht. Denn nachdem sich MitbewohnerInnen ihrer Wohngruppe über sie beklagt hatten, kündigte das Stift der Behinderten. Seit Anfang des Monats wohnt sie wieder in ihrer alten Wohnung. Doch dort bleiben kann sie nicht. Sabine am Orde