Der homosexuelle Mann ... Von Elmar Kraushaar

... wittert Morgenluft. Nach diesem Wahlergebnis! Vor allem die konservativen Homosexuellen, die ihre politische Heimat aparterweise bei den Grünen gefunden haben, warten gespannt auf die Homo-Ehe. Noch in dieser Legislaturperiode! Die Freude darüber teilt man auch in dieser Zeitung: „Es geht, so scheint es, doch kontinuierlich aufwärts“, steht dazu noch am vergangenen Samstag in einem Artikel.

Aufwärts aber mit Einschränkungen, lautet in gleicher Sache der Befund eines Hamburger Anwaltsbüros, bekannt für seine Presse- und Prominenten-Anwälte: „In der heutigen Zeit ist Homosexualität zwar nicht mehr mit dem Stigma vergangener Zeit behaftet“, heißt es in einer Klageschrift der Kanzlei, „jedoch auch noch nicht gesellschaftlich so akzeptiert, daß eine Moderator sich offen bekennt, ohne zugleich berufliche Nachteile hinnehmen zu müssen.“

Dieser Analyse folgt der konkrete Fall, der Ende des Monats vor dem Hamburger Landgericht zur Verhandlung kommt: Der Nachrichtensprecher einer allabendlich um 20 Uhr ausgestrahlten Nachrichtensendung wurde vor zwei Jahren in einer Buchveröffentlichung eines Berliner Kleinverlages in einem Nebensatz mit dem Hinweis bedacht, er sei schwul. Bislang hat das niemand zur Kenntnis genommen, und in der Neuauflage des Buches war der Hinweis auch schon wieder gestrichen. Nur der vermeintlich „Schwule“ selbst hat es gelesen, war nicht einverstanden und will jetzt Schadensersatz, wegen „schwerwiegendem Eingriff in seine Privat- und Intimsphäre“ und „Verletzung seines Persönlichkeitsrechts“. Daß die schwule Fußnote eine Lüge sei, läßt er sich ebenso anwaltlich bestätigen wie die möglichen Folgen einer solchen Behauptung für jede weitere berufliche Karriere: „Wenn der Kläger indes als schwul bezeichnet wird, liegen Vorbehalte bezüglich seiner Verwendbarkeit als Moderator auf der Hand.“

Was für ein Argument, mit dem im Jahre 1998 eine Schadenssumme in einer solchen Höhe eingeklagt werden soll, daß der Kleinverlag bei einer Niederlage sofort dichtmachen kann! Was für ein Argument vor dem Hintergrund, daß es im deutschen Fernsehen genügend Gegenbeispiele gibt: Bulthaupt, Biolek, Wanders usw. Und wie war es mit den direkten Kollegen des Klägers? Mit Werner Veigel oder Wieben? Tatsächlich ist im aktuellen Fall ohne Belang, ob der Kläger mit Männern oder mit Frauen sein Leben teilt. Vielmehr geht es darum, ob ein deutsches Gericht klären kann, ob eine behauptete Homosexualität Beschäftigungen und Karrieren bremst, fördert oder überhaupt nicht tangiert. Und wie läßt sich das eine oder das andere ermitteln?

Gleichberechtigung aber – so sie denn das Ziel ist – ist erst dann erreicht, wenn sich ein Anwalt finden läßt, der mich vor Gericht gegen den vertritt, der von mir öffentlich behauptet, ich sei heterosexuell. Und die Homo-Ehe? Von ihren Befürwortern vorab schon als entscheidender Schritt zur Gleichstellung zwischen Homo- und Heterosexuellen gefeiert? Sie hat mit Gleichheit nichts zu tun. Sie beschert einigen wenigen ein paar Vorteile. Ein schwuler Nachrichtensprecher aber kann weiter den Heterodarsteller mimen und bekommt dafür womöglich noch recht vor Gericht.