Lange Gesichter hoch zu Roß

Bescheidene Leistungen, völlig überhöhte Eintrittspreise, schlechte Berichterstattung in den italienischen Medien und miserables Wetter kennzeichneten die Weltreiterspiele  ■ Aus Rom Werner Raith

Warum nur in aller Welt hat die Stadt Rom so sehr darauf bestanden, im letzten Moment als Austragungsort der World Equestrian Games einzuspringen? Sicher – als Irland im vorigen Jahr aufgrund eines Sponsor-Ausfalles zurückzog und in Italien sich die Verlegerfamilie Rifeser sofort zur Finanzierung bereit zeigte, war die Versuchung für die Verantwortlichen des Weltreiterverbandes groß, gleich mal zuzugreifen. Unter dem organisatorischen Aspekt lief es, was Reiter und Pferde anging, auch gut, und für das zeitweise schlechte Wetter kann niemand etwas. Dennoch waren die Weltreiterspiele am Ende eher eine Enttäuschung.

Es reicht wohl doch nicht, mal schnell ein Fußballstadion herzurichten, den Rasen mit Sand zu bedecken und im Gelände vor den Toren der Stadt eine landschaftlich ansprechende Military-Strecke bereitzustellen: Großveranstaltungen dieser Art leben auch von der Kulisse, leben von der Kundigkeit des Publikums und der Presse, sicher auch vom Einfallsreichtum der Veranstalter, Neues, Originelles, vielleicht auch Ausgefallenes zu präsentieren. Auf keinen Fall sollten die Weltreiterspiele ein Abklatsch der Europameisterschaften oder des Aachener Champion- Turniers werden

Genauso aber kam es: Der Reitsport hat sich in Rom von seiner langweiligsten, verkrustetsten Seite gezeigt. Und das liegt nicht nur am starren Reglement. Am Ende konnte man schon froh sein, daß nicht wieder wie bei den Olympischen Spielen und den Europameisterschaften faktisch alles an die Deutschen ging: Nachdem sie in Rom schon in der Dressur und im Voltigieren Mannschafts- und Einzel-Gold (Isabell Werth), im Springen ebenfalls Mannschafts-Gold, im Gespannfahren zweimal Silber (Michael Freund) gewonnen hatten, stachen wenigstens im Einzelspringen der Brasilianer Rodrigo Pessoa (Gold) und der Franzose Thierry Pomel Silber) die Deutschen aus (Titelverteidiger Franke Sloothak gewann am Sonntag Bronze). Sportvergleiche taugen nichts, wenn einzelne Nationen Abonnements auf die Siege buchen können.

Doch es war nicht nur die Langweiligkeit der ewig wiederholten Duelle lediglich einer Handvoll bekannter Namen (wie etwa Werth– van Grunsven in der Dressur, Sloothak– Pessoa im Springreiten), die das Flaminio-Stadion selbst während der Höhepunkte halb leer bleiben ließ: Es waren auch die gepfefferten Preise – mehr als 500 Mark mußte hinblättern, wer nur einen Rasierpatz an allen Veranstaltungstagen haben wollte, Einzeltage kosteten bis zu 150 Mark Minimum. Zum Debakel trug auch die inneritalienische Art der Berichterstattung bei, die sich von ihrer dümmlichsten Seite gezeigt hat: Während der Dressur quasselte im Fernsehen ein vom Reitsport völlig unbeleckter Dünnbrettbohrer über Doping im Fußball, während eine angeblich reiterfahrene Kollegin ein ums andere Mal „Herrlich“, „Wunderschön“, „Entzückend“ , „Großartig“ ausrief, aber niemandem erklärte, was man zum Verständnis der Schrittfolgen oder des Reglements benötigt. Und als die im Lande so gehätschelten Springreiter dann noch unter „ferner liefen“ ankamen (die Mannschaft als Siebte, im Einzel der Beste auf Platz 13), hörten die Zeitungen und Fernsehsender nahezu vollständig auf, über die Spiele zu berichten. So holt man natürlich keine Zuschauer ins Stadion oder auf den Military-Platz.

Fazit: Wenn eine Sportart schon immer mehr zur Domäne von nur einer Handvoll Nationen wird, sollte man Weltmeisterschaften entweder bei diesen austragen – oder von einem Land, das derzeit nicht oder noch nicht mithalten kann, präzisere Garantien dafür verlangen, daß die Spiele auch richtig beim Publikum ankommen und eine echte Werbung für diesen Sport daraus wird.