Krisenplan für Rußland erst nächstes Jahr

■ Regierung will zunächst Nothaushalt für das vierte Quartal absegnen lassen. Internationaler Währungsfonds verschiebt Gespräche auf Ende Oktober. Präsident Jelzin bricht Staatsbesuch in Kasachstan

Moskau (AFP/dpa) – Trotz eindringlicher Forderungen der internationalen Geber kann Rußland erst im nächsten Jahr einen umfassenden Plan zur Bewältigung seiner schweren Wirtschafts- und Finanzkrise vorlegen. Früher sei dies wegen der sich ständig ändernden Situation nicht möglich, sagte Finanzminister Michail Sadornow am Sonntag im staatlichen Fernsehen. Auch müsse erst der Nothaushalt für das vierte Quartal verabschiedet werden, mit dem die dringendsten Etatlöcher gestopft werden sollen. Die rasche Vorlage eines klaren Krisenprogramms zählt zu den Hauptbedingungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor weiteren Finanzhilfen an Rußland. Moskau erhofft sich für dieses Jahr noch mindestens 2,5 Milliarden Dollar (40 Milliarden Mark).

Der Währungsfonds hatte Rußland im Juli ein Kreditpaket über 22,6 Milliarden Dollar für dieses und das kommende Jahr vermittelt. Besonders kritisch steht der IWF Plänen in der neuen Regierung unter Ministerpräsident Jewgeni Primakow gegenüber, zur Begleichung der russischen Binnenschulden die Geldmenge durch Ankurbelung der Notenpresse auszuweiten. Dazu sagte Sadornow, eine „große Mehrheit der Regierungsmitglieder“ wisse, daß der „inflationistische Weg“ gefährlich sei.

Weiter betonte der Finanzminister, die Lage der russischen Wirtschaft sei zu kompliziert, um in einen einzigen Krisenplan zu münden. Er äußerte aber die Erwartung, daß die Regierung Anfang 1999 in der Lage sei, mittelfristige Ziele zu formulieren. Um die Einnahmen zu erhöhen, will sie unter anderem die Exporteure und die Ölfirmen zur Kasse bitten, die von der Rubelabwertung der vergangenen Monate profitierten. Außerdem ist die Einrichtung eines Staatsmonopols auf Produktion und Verkauf von Alkohol geplant. Die Vorgängerregierung unter Sergej Kirijenko hatte Mitte August die russische Währung faktisch abgewertet und die Bedienung der in Rubel notierten Schuldverschreibungen ausgesetzt.

Der stellvertretende russische Finanzminister Oleg Wjugin sagte gestern, der IWF habe einen für heute geplanten Besuch ranghoher Vertreter in Moskau auf Ende Oktober verschoben. Zu Begründung sei mitgeteilt worden, Rußland habe einige Daten nicht vollständig bereitgestellt. In der vergangenen Woche hatten sich Finanzminister Sadornow und Notenbankpräsident Wiktor Geraschtschenko in Washington um Freigabe der nächsten IWF-Kredittranchen bemüht.

Unterdessen bekamen Spekulationen über eine ernsthaftere Erkrankung des russischen Präsidenten Boris Jelzin, der im November 1996 fünf Bypässe erhalten hatte, neuen Auftrieb. Gestern mußte Jelzin auf Drängen seiner Ärzte seinen zweitägigen Staatsbesuch in Kasachstan um einen Tag verkürzen. Statt wie geplant heute sollte er bereits gestern abend nach Moskau zurückkehren, teilte Kreml- Sprecher Dmitri Jakuschkin mit.

Jelzin habe eine Bronchitis und erhöhte Temperatur, sagte der Leibarzt des Präsidenten, Sergej Mironow. Er begleitete Jelzin auf der ursprünglich für drei Tage geplanten Reise nach Usbekistan und Kasachstan. Jelzin nehme Antibiotika und entzündungshemmende Medizin. Er müsse nicht das Bett hüten, sagte Mironow. Jedoch hätten die Ärzte ihm empfohlen, sein Arbeitspensum zu kürzen. Der Präsident hatte sich nach Kreml-Angaben am Sonntag nachmittag bei dem „schweren Flug“ in die usbekische Hauptstadt Taschkent erkältet.

Bereits bei seiner Ankunft in Taschkent wirkte der Präsident sehr ungelenk. Er geriet ins Stolpern und muße von seinem usbekischen Amtskollegen Islam Karimow gestützt werden. Gestern mittag hatte Jelzin den Staatsbesuch in Usbekistan beendet und war weiter nach Kasachstan geflogen. Die Abkürzung der Mittelasienreise sei während des Fluges erörtert worden, sagte Jakuschkin. Jelzin sei dagegen gewesen, aber die Ärzte hätten darauf bestanden.