Ein Scherbenhaufen im roten Osten

Die Brandenburger CDU ist in einem desolaten Zustand. Als Retter in der Not bietet sich Berlins Innensenator Schönbohm als Landesvorsitzender an. Unterdessen droht in Berlin eine Senatsumbildung  ■ Aus Berlin Barbara Junge

Der Fraktionschef spricht nicht mit dem Landesvorsitzenden. Stasi-Verdächtigungen gelten als grundsolides Instrument innerparteilicher Mehrheitsfindung. Und die WählerInnen danken es der Partei mit landesweiten 20,8 Prozent – bundesweit das schlechteste Ergebnis eines konservativen Landesverbandes. Der Rücktritt des Landesvorsitzenden folgte in der vergangenen Woche. Das ist die CDU in Brandenburg.

Nun soll Rettung nahen. Jörg Schönbohm heißt der Engel, in Berlin als Innensenator tätig. Jener hat sich überraschend bereit erklärt, den vakanten Vorsitz der Brandenburger Union zu übernehmen. Sollte die Partei aus den im Herbst 1999 anstehenden Landtagswahlen als Verliererin hervorgehen, wäre er außerdem bereit, als Oppositionsführer der Fraktion im Landtag vorzusitzen. „Wenn ich der Partei aus ihren Schwierigkeiten helfen kann und es gewünscht wird, werde ich es auch tun“, erklärte Schönbohm am Wochenende. Es gehe ihm um die Frage, so Schönbohm gestern, ob man die Brandenburger CDU abschreibe oder ob man glaube, daß eine Person wie er noch einmal helfen könne.

Das katastrophale Ergebnis der Union bei der Bundestagswahl bringt besonders die CDU im Osten der Republik in schwere Turbulenzen. In Brandenburg eskaliert die Situation in einer schweren Führungskrise der Partei: Als Konsequenz aus dem Wahlergebnis hatte der Landesvorsitzende Peter Wagner seinen Rücktritt angekündigt. Der Landesvorstand allerdings votierte in seiner Sitzung am Freitag abend mit nur 12 von 22 Stimmen dafür, den Kandidaten für das Amt, den Potsdamer Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Hackel, dem nächsten Landesparteitag als neuen Vorsitzenden zu empfehlen. Hackel zog daraufhin seine Kandidatur zurück und kündigte an, auch nicht als Spitzenkandidat für die Landtagswahl zur Verfügung zu stehen.

Jedoch auch den Weg für einen schnellen personellen Neuanfang hat der Landesvorstand verbaut. Gegen den erklärten Willen Hackels beschloß der Vorstand, dem Schritt des Vorsitzenden nicht zu folgen und statt dessen bis zum regulären Landesparteitag im Januar 1999 zu amtieren. Dort soll dann auch der neue Vorsitzende gewählt werden. Nach der Sitzung warf Hackel dem amtierenden Vorsitzenden Wagner vor, für die Situation verantwortlich zu sein. „Es kann überhaupt keinen Zweifel geben, daß Herr Wagner die Situation herbeigeführt hat“, so Hackel. Er wertete die Ereignisse als „Selbstdemontage der Partei“.

Der Vorschlag, Jörg Schönbohm zum Retter zu küren, kam am Wochenende von Hackel. Doch auch mit Peter Wagner war Schönbohm im Gespräch. Schönbohm dazu: „Ich wußte nicht, daß beide nichts voneinander wußten.“

Die Ankündigung des in der Berliner Union durchaus umstrittenen Innensenators trifft auch die Berliner Union in einer kritischen Phase. Gestern erst mußte der Regierende Bürgermeister und CDU-Landesvorsitzende Eberhard Diepgen verkünden, daß der amtierende Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) sein Amt zum nächstmöglichen Zeitpunkt, also voraussichtlich zum 12. November aufgeben wird. Einen Nachfolger konnte oder wollte Diepgen gestern nicht benennen.

Innerparteilich steht der Regierende Bürgermeister zudem unter Bedrängnis durch konservative Kräfte eines Parteizirkels mit dem Namen „Union 2000“. Dieser fordert verstärkt seit den Bundestagswahlen eine Kurskorrektur der Hauptstadtunion und eine Verjüngung des Personals.

Die Ablösung Pieroths, der bereits vor einem Jahr bei Diepgen um Ablösung gebeten hatte, beendet nun eine lange Phase des Zauderns des Senatschefs. Zugleich markiert der Schritt ein Eingeständnis des Regierenden Bürgermeisters, daß auch die Berliner Union nach dem 27. September Veränderungen nicht wird vermeiden können. Erst in der vergangene Woche hatte der Regierende dem Drängen seiner Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU) zustimmen müssen, deren Staatssekretär zurückzuziehen.

Schönbohms Wechsel nach Brandenburg wirft Fragen auf. Er hat erklärt, seine Kandidatur sei mit der Bundes-CDU abgestimmt, seinen Landesvorsitzenden stellte er aber vor überraschende Tatsachen. Ob Schönbohm trotz dieser Kandidatur bis zum Ende der Berliner Legislaturperiode Innensenator bleiben kann, sollte noch gestern nach Redaktionsschluß in einem Gespräch mit dem Regierenden Bürgermeister geklärt werden. Anfang des Jahres noch hatte Schönbohm erklärt, er stünde auch für die Spitzenkandidatur in Berlin zur Verfügung.