Scharping wird doch Minister

■ Lafontaine wie auch Müntefering im Kabinett

Bonn (taz) – Rudolf Scharping hat den Machtpoker um das Amt des Fraktionsvorsitzenden verloren. Der künftige Bundeskanzler Gerhard Schröder kündigte gestern überraschend an, daß sowohl Scharping als auch seine Konkurrenten um den Fraktionsvorsitz, Parteichef Oskar Lafontaine und Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering, in der neuen Regierung Ministerämter übernehmen. Alle drei seien seiner „nachdrücklichen Bitte“ gefolgt. Wer neuer Fraktionschef wird, ist noch unklar. Scharping soll Verteidigungsminister und Lafontaine Finanzminister werden. Für Müntefering steht das Ressort noch nicht fest. Er ist aber als Bau- und Verkehrsminister im Gespräch.

Als sicher gilt dagegen die Nominierung des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Wolfgang Thierse zum neuen Bundestagspräsidenten. Dies könnte bedeuten, daß das Amt des Bundespräsidenten mit einer Frau besetzt wird. Lafontaine hatte in einer längeren Aussprache dafür plädiert, auch hohe Staatsämter mit Frauen zu besetzen.

Schröder begründete die Entscheidung über die Ministerämter damit, er sei „für eine Konzentration aller Kräfte und unserer besten Leute im Kabinett“. Jeder habe eingesehen, „daß es dieser Konzentration der Kräfte bedarf“. Er sei „sehr dankbar“, daß Scharping seine erste Wahl „im Interesse des Ganzen zurückgestellt“ habe. Der bisherige Fraktionschef hatte sich bisher immer geweigert, Verteidigungsminister zu werden.

Am Morgen hatte Franz Müntefering von sich aus auf das Amt des Fraktionschefs verzichtet, um weiteren Streit in der SPD zu vermeiden. Zuvor hatte Lafontaine darauf gedrängt, daß Müntefering Fraktionschef wird. Damit schien die Bahn für eine Amtsfortführung von Scharping frei. Scharping sagte, wenn jetzt alle gemeinsam an einem Strang zögen, werde dies ohne Beschädigung von Personen gelingen. Die Situation sei keinesfalls mit dem Mannheimer Parteitag von 1995 vergleichbar. Damals hatte Lafontaine überraschend Scharping als Parteivorsitzenden gestürzt. CDU-Generalsekretär Hintze erklärte, Lafontaine habe „sein Werk der Scharping-Demontage mit dem heutigen Tag vollendet“.

Eine Vorentscheidung über den Fraktionsvorsitz wird am heutigen Dienstag erwartet. Am Rande der Vorstandssitzung wurde der Name der SPD-Haushaltsexpertin, Ingrid Matthäus-Maier, ins Spiel gebracht, die jedoch abgewunken haben soll. In Frage kommt außerdem der parlamentarische Geschäftsführer Peter Struck.

Markus Franz

Bericht Seite 5, Kommentar Seite 12