Erwachsen und aufregend sein

Tanz, Theater, Performance: Kampnagel surft in die neue Spielzeit  ■ Von
Christiane Kühl

Kampnagel, letzte Spielzeit vor der Jahrtausendwende: umbaut und umgebaut präsentiert die Kulturfabrik im neuen Outfit bekannte Gesichter. Junge, größtenteils Hamburger Gesichter, die das Programm der letzten Spielzeiten – vor allem das Junge-Hunde-Festival – prägten. Die Erfolg hatten, bundesweit und im europäischen Ausland gastierten, produzierten und nun in Hamburg mit alten und neuen Arbeiten zu sehen sein werden. Kampnagelchef Res Bosshart ist sichtlich stolz auf die Ergebnisse seiner kontinuierlichen Förderung der „künstlerischen Suche nach neuen Formen“; wobei es Tatsache ist, daß die meisten der im Bereich „Schauspiel“ präsentierten TheatermacherInnen ihre Entwicklung mindestens zu gleichen Teilen dem Hamburger Regiestudiengang verdanken.

Auch wenn klare Genreeinteilungen in Barmbek selbstverständlich als überholt gelten, wird die neue Saison wieder auf drei Füße gestellt: Tanz, Schauspiel und Performance. Das Eröffnungswochenende vom 4. – 8. November stellt letztere in den Vordergrund: Die japanische Künstlergruppe Dump Type, ein Zusammenschluß von Architekten, Informatikern, Video- und Soundkünstlern, zeigt die Deutschlandpremiere der Multimediaperformance OR. Einen Tag später stellt der australische Maschinenkünstler Stelarc, artist-in-residence der Hansestadt, seine neueste Arbeit vor: Exoskeleton – Event for amplified body and walking machine. Es handelt sich um einen „eleven degree freedom manipulator“, erläutert der Künstler und beweist schon bei dieser Aussage, daß Maschinen komplexer sind als Menschen: „Ich muß aufstehen“, entschuldigt Stelarc sein Stühlerücken, „sitzen und sprechen zur selben Zeit macht mir Probleme“. Weshalb Nicolas Baginsky mit Narcissism Enterprise auch eine selbstorganisierende Installation entwirft.

Im Tanzbereich, leider um die IndepenDanceDays ärmer, werden Angela Guerreiro, Jan Pusch, Ingun Björnsgaard und Anouk van Dijk Produktionen vorstellen, wobei van Dijk erstmals mit Falk Richter zusammenarbeiten wird. Verbunden werden diese Arbeiten dadurch, so Dramaturgin Sabine Gehm, daß alle mit einer intensiven thematischen Recherche einhergehen. Guerreiros Be nice or leave. Thank you. beispielsweise ist eine Umsetzung ihrer Beobachtungen von Überlebensstrategien Obdachloser.

„Nichts ist langweiliger als eine schwarz ausgeschlagene Studiobühne“, behaupten Showcase Beat Le Mot. Deshalb sind sie für ihren Grand Slam auf der Suche nach einem Tenniscourt als Spielort. Ihre letzte Performance, Radar Radar, verwandelte den Theaterraum in einen Late-Nite-Club; ähnliches wollen Thorsten Beyer und Christian Wiehle, die Mark Ravenhills Shoppen und Ficken zur Demonstration des Rollbacks in alte Rollenklischees bearbeiten. Wie „jung sein ohne Rebellion“ geht, zeigt Nicolas Stemann noch einmal mit der Terror-Trilogie und inszeniert Gorkis Kleinbürger. Sandra Strunz wird sowohl den in Basel entstandenen Glauser präsentieren als auch Lucas, ich und mich in Angriff nehmen, ein Erzählschauspiel nach einer Romantrilogie von Agota Kristof.

Ebenfalls zu den Hamburgern zu zählen sind seit neuestem die Gießen/Nottinghamer Gob Squad. Bekannt für ihre Inszenierungen in Büros, Straßenbahnen und auf Parkplätzen, überraschten die Shootingstars der deutschen Theater/Performanceszene auch auf der gestrigen Pressekonferenz: „Wir werden hier zum ersten Mal in einem Theaterraum spielen. Das ist für uns sehr aufregend.“