SPD drängt auf Entscheidung von Schönbohm

■ SPD hält Innensenator auf Abruf für eine "tickende Zeitbombe". Die neue Senatsmannschaft soll daher bis zum 12. November feststehen, fordert die SPD. Auch in der CDU wurden Stimmen für eine Ablösu

Die CDU gerät bei der geplanten Senatsumbildung unter den Druck des Koalitionspartners. SPD-Fraktionschef Klaus Böger forderte den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) gestern auf, schnell für personelle Klarheit zu sorgen. Innensenator Jörg Schönbohm müsse sich jetzt schnell erklären, ob er tatsächlich für den CDU-Vorsitz in Brandenburg kandidieren wolle. „Senator auf Abruf zu sein, geht nicht“, so Böger. Als „Deadline“ für die mögliche Neuwahl eines Innensenators nannte Böger gestern den 12. November, an dem das Abgeordnetenhaus die Nachfolger für Wirtschaftsminister Elmar Pieroth (CDU) und Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) wählen soll. „Wir können nicht tröpfchenweise Senatoren nachwählen“, erklärte Böger vor der gestrigen SPD-Fraktionssitzung. Am 12. November müsse eine neue Senatsmannschaft feststehen.

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, erklärte zu Schönbohms Abwanderungsplänen: „Wer sich geistig abmeldet, muß sich auch körperlich abmelden.“ Schönbohms Überlegung, in Brandenburg für den CDU-Parteivorsitz zu kandidieren, sei „die notwendige Folge eines politischen Scheiterns durch Unerfahrenheit“. Er habe sich zu sehr in CDU-Interna verwickeln lassen. Seine Vorwärtsstrategie habe ihn schließlich in eine auswegslose Lage gebracht.

Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit nannte die Lage der CDU gestern „desaströs“. Der einzige CDU-Senator, der aus den eigenen Reihen noch nicht in Frage gestellt worden sei, sei Kultursenator Peter Radunski (CDU). Diese Instabilität sei nicht gut für die Stadt.

„Schönbohms unklares Verhalten ist eine tickende Zeitbombe für den Senat“, erklärte SPD-Fraktionssprecher Hans-Peter Stadtmüller. Jetzt müßten die Krisenmanager Eberhard Diepgen und CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky die Handlungsfähigkeit des Senats wiederherstellen. Spekulationen über vorgezogene Neuwahlen wies Stadtmüller zurück. Die Koalition habe noch eine Reihe wichtiger Aufgaben zu lösen. Dazu zähle ein wettbewerbsfähiger öffentlicher Nahverkehr, die Krankenhausplanung, die soziale Stadtentwicklung und die Schulpolitik. Dorothee Winden

Krisenstimmung in der CDU. Nach der unabgesprochenen Ankündigung von Innensenator Jörg Schönbohm, als Kandidat für den CDU-Landesvorsitz in Brandenburg zu kandidieren, ist gestern Abend kurzfristig der Berliner CDU Landesvorstand zu einer Sondersitzung zusammengetreten, um über die Auswirkungen zu beraten. Zuvor hatte auch die Fraktion im Abgeordnetenhaus die neue Lage diskutiert, die die Partei zeitgleich mit dem Rücktritt von Wirtschaftssenator Elmar Pieroth überrascht hat.

Innerparteilich wächst dabei der Druck auf den Innensenator, sein Amt abzugeben. „Ich halte nichts davon, daß Jörg Schönbohm jetzt noch als Innensenator in Berlin bleibt“, sagte gestern ein führendes CDU-Mitglied. „Je schneller, je eher, je besser“, kommentierte ein Landesvorstandsmitglied eine mögliche Ablösung Schönbohms, „jetzt geht es darum, den Gesamtsenat wieder in ruhige Bahnen zu bringen.“ „Schönbohm hat nichts Besseres zu tun, als auf einen neuen Zug aufzuspringen, da sollte man doch vielleicht gleich eine größere Revision im Senat machen, wenn ein Nachfolger für Elmar Pieroth gewählt wird“, sagte ein anderes Vorstandsmitglied.

Schönbohm selbst hat gestern im Senat versprochen, sich bis Anfang November zu entscheiden, ob er als Kandidat in Brandenburg antritt und damit als Innensenator in Berlin ausscheidet. Daß beides nicht zusammengehen kann, hat der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen gestern nochmals klargestellt.

Auch die Nachfolge für Elmar Pieroth sollte gestern abend bei der Union Thema sein, hier steht Diepgen ebenfalls unter hohem Entscheidungsdruck. „Die Leute wollen wissen, was da eigentlich los ist“, berichtete ein Vorstandsmitglied, „sie wollen endlich wieder Führung sehen.“ Bis Redaktionsschluß wurde kein Sitzungsergebnis bekannt. Barbara Junge