Nobelpreis für Tanz der Elektronen

■ Physikpreis geht an Deutschen und zwei Amerikaner, die sich mit exotischen Eigenschaften von eingesperrten Elementarteilchen befassen

Berlin (taz) – Die Welt von Horst Ludwig Störmer besteht aus schrankgroßen Stahlbehältern aus denen lärmende Pumpen die Luft heraussaugen, die mit aufwendigen Kühlmaschinen auf Temperaturen von minus 272 Grad heruntergekühlt und mächtigen Magnetfeldern ausgesetzt werden. Der Behälter ist gespickt mit Meßsonden, mit denen der Physiker Elektronen unter Extrembedingungen untersucht. Bei solchen Experimenten machte Horst Ludwig Störmer zusammen mit dem Amerikaner Daniel Tsui 1982 eine Entdeckung, die ihm gestern den Nobelpreis für Physik einbrachte.

Elektronen sind die Teilchen, die in Lampen wie Staubsaugern den elektrischen Strom verkörpern. Störmer und Tsui setzen die Teilchen einer Menge von Zwängen aus: Sie sperren sie in filigran gefertigte Sandwiches aus Halbleiterschichten so ein, daß sie sich nur in zwei Richtungen bewegen können. Dann kühlen sie sie stark ab und setzen sie einem Magnetfeld aus. Unter diesen Bedingungen benehmen sich die Elektronen völlig anders als gewohnt: Sie fließen dabei fast reibungsfrei (supraleitend) durch die Halbleiter und verhalten sich wie Teilchen, die nur noch einen Bruchteil der ursprünglichen elektrischen Ladung haben. Die Physiker sprechen von einer Quantenflüssigkeit, von einem gemeinsamen Tanz der Elektronen, wie das Stockholmer Nobelpreiskomitee in seiner Begründung schreibt.

Die theoretische Erklärung für diesen sogenannten fraktionierten Quanten-Hall-Effekt von Tsui und Störmer lieferte der US-Amerikaner Robert Laughlin, der nun ebenfalls den Physik-Nobelpreis erhält. Ironischerweise beruht Störmers Experiment auf der Überprüfung des einfachen Quanten-Hall-Effekts, für dessen Entdeckung ebenfalls ein Deutscher, nämlich Klaus von Klitzing, 1985 den Nobelpreis erhielt.

Der 49jährige Störmer stammt aus Frankfurt und brach ein Architekturstudium ab, bevor er sich für die Physik entschied. Er promovierte 1977 in Stuttgart und verließ dann Deutschland um bei den renommierten AT&T Bell Laboratories zu arbeiten. Zuletzt war er dort Direktor des Physiklabors, bis er im September diesen Jahres eine Professur an New Yorker Columbia University übernahm. Er beschäftigt sich noch immer mit eingesperrten Elektronen.

Vor allem für die künftige Computertechnik könnte die Ergebnisse einmal von Belang sein: Die dringt in immer kleinere Dimensionen vor, in denen schon bald exotische Quanteneffekte eine große Rolle spielen könnten.

Auch der Chemie-Nobelpreis wurde gestern vergeben: Er ging an den gebürtigen Österreicher und heutigen US-Amerikaner Walter Kohn und den Briten John Pople für ihre quantenchemischen Rechnungen über die Natur der Bindungen von Atomen in großen Molekülen. urb