Heide Simonis bildet Kabinett um

■ Deutschlands einziger Landesmutter gehen zwei wichtige Minister von der Fahne. Sie feuert auch noch die Staatssekretäre

Kiel (taz) – Ihr Auftreten war forsch und selbstbewußt wie stets. Nein, sie strebe keinen Posten im Kabinett des designierten Bundeskanzlers Gerhard Schröder an, versicherte die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis kurz nach der Bundestagswahl. Vielmehr werde sie ihr rot- grün regiertes Bundesland sozialdemokratisch und sicher ins nächste Jahrtausend führen. Doch es kracht dieser Tage ganz gewaltig im Kieler Kabinett.

Erst konfrontierte SPD-Wirtschaftsminister Peer Steinbrück (51), eine der tragenden Säulen der Regierung, seine Chefin mit seinem Weggang nach Nordrhein- Westfalen. Im einwohnerstärksten Bundesland wird der wortgewandte Redner die Nachfolge des bisherigen Düsseldorfer Wirtschaftsministers Bodo Hombach (SPD) antreten. Dieser wird seinerseits Kanzleramtsminister in Bonn. Am späten Montag nachmittag dann wurde der zweite Ministerschemel frei: Bildungsministerin Gisela Böhrk (SPD), die für die Niederlage der Landesregierung im Streit um die Rechtschreibreform verantwortlich gemacht wird, trat die Flucht nach vorn an und legte ihr Amt nieder. Seit Tagen brodelte die Gerüchteküche, wonach Simonis eine umfassende Kabinettsumbildung vorbereite, um sich für die Landtagswahl in eineinhalb Jahren zu wappnen. In diesen Überlegungen fanden weder Böhrk noch ihre beiden Staatssekretäre, Gyde Köster und Dieter Swatek, Erwähnung. Am Ende war Böhrk es leid, ihre geplante Entlassung selbst dementieren zu müssen.

Die oppositionelle CDU sowie die FDP traten nach: Böhrk sei überfordert und unfähig, ihre Bildungspolitik ein Trauerspiel. Als Nachfolgerin wird die 51jährige SPD-Fraktionschefin Ute Erdsiek- Rave gehandelt, die wie Böhrk Lehrerin ist. Vieles spricht dafür, daß außer Köster und Swatek weitere Staatssekretäre ihren Stuhl räumen müssen. Joachim Lohmann, Staatssekretär im Finanzministerium, hat bereits seinen Rücktritt erklärt. Weitere Minister dagegen dürften schwieriger auszuwechseln sein: Arbeits- und Sozialministerin Heide Moser (SPD), deren Stuhl bisweilen auch kippelte, profitiert noch von ihrem Bonus in Sachen Cannabis-Vorstoß von 1996. Und die grüne Frauenministerin Angelika Birk, deren Ministerium viele ganz schlicht auflösen wollen würden, kann ohne größere Koalitionskrise eigentlich nicht geschaßt werden.

Bis Ende des Monats will Simonis ihre Kabinettsumbildung abgeschlossen haben. Die ist auch bitter nötig: Nicht nur wegen der gescheiterten Rechtschreibreform ist das Image der Kieler Regierung schlecht. Gleich zweimal in diesem Jahr wurden die rot-grünen Koalitionäre vom Bundesverfassungsgericht abgewatscht. Erst bezeichneten die Karlsruher Richter die landeseigenen Abfallsteuern als gesetzeswidrig, Rückzahlungsforderungen in Millionenhöhe belasten seitdem den Haushalt. Im September dann stoppten sie den „Immobilien-Deal“ von Finanzminister Claus Möller (SPD). Möller wollte landeseigene Immobilien in ein Zweckvermögen bei der Kieler Investitionsbank übertragen. Das Geld aus der Übertragung – satte 250 Millionen Mark – durfte aber nicht, wie von Möller erhofft, als „Einnahme“, sondern nur als „Kredit“ verbucht werden. Nur unerwartete Lotto-Mehreinnahmen sowie ein millionenschwerer Erbschafts- und Schenkungssteuerfall retteten das Land in letzter Minute vor dem Konkurs. Heike Haarhoff