Der Kosovo wird ständig beobachtet

■ Nun hat Ministerpräsident Milosevic doch noch eingelenkt. Die Nato wird zunächst keine Luftangriffe gegen Serbien fliegen. Statt dessen sollen 2.000 Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Lage im Kosovo stabilisieren. Rußland ist mit dabei.

Erleichterung in allen Hauptstädten. Slobodan Milosevic, der Präsident Jugoslawiens, hat nachgegeben. Künftig sollen etwa 2.000 OSZE-Beobachter in den Kosovo kommen und die Umsetzung der UN-Beschlüsse überwachen. Eine militärische Intervention der Nato ist damit erst einmal aufgeschoben.

Abermals war es der US-amerikanische Diplomat Richard Holbrooke, der Milosevic unter den Tisch verhandeln konnte. Seine schon in Bosnien-Herzegowina angewandte Strategie, Verhandlungen und militärischen Druck miteinander zu verbinden, hat erneut Erfolg gehabt. Ohne den glaubwürdigen Aufbau militärischen Drucks, der in der Nacht zum Dienstag in dem Aktivierungsbefehl für einen Militäreinsatz der Nato mündete, hätte es wohl keine Einigung geben können.

Als Slobodan Milosevic am Dienstag vor die Fernsehkameras trat und erklärte, er habe dem Druck der Nato nachgegeben und durch sein Einlenken „die Gefahr einer Militärintervention abgewendet“, konnte er sich trotzdem als halber Sieger fühlen. Denn die serbischen Medien haben in den letzten Tagen nichts unversucht gelassen, eine Kriegshysterie zu schüren. Wider besseren Wissens wurde die Bevölkerung mit der Erwartung in Angst versetzt, die Nato würde auch zivile Objekte und nicht nur militärische Ziele angreifen. Mit der Abwendung der Gefahr einer Intervention könnten nun die „Probleme des Kosovos und die, die damit verbunden sind, auf friedlichem Wege und mit politischen Mitteln geregelt werden“, erklärte Milosevic. Er habe nur Vereinbarungen getroffen, die „mit den Interessen unseres Landes“ im Einklang stünden.

Damit hat er in gewisser Weise recht. Denn die 2.000 Mitarbeiter der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit“, die den Abzug der serbischen Truppen und Einheiten der Sonderpolizei im Zusammenwirken mit der Luftaufklärung überwachen sollen, sind keine Polizeitruppe und auch keine Besatzungsarmee. Sind sie Beobachter, die allein durch ihre Präsenz Übergriffe auf die kosovo- albanische Bevölkerung vermeiden helfen sollen? Wären sie dies, blieben die serbischen Herrschaftsstrukturen in ihrer Substanz unangetastet. So erklärte der amtierende EU-Ratsvorsitzende, der österreichische Außenminister Wolfgang Schüssel, die 2.000 OSZE-Beobachter seien nichts anderes als ein „etwas wackeliger Sicherheitsschirm“. Eine politische Lösung der Kosovo-Krise sei „in der Substanz noch offen“.

In Bosnien-Herzegowina zeigen die Erfahrungen mit der OSZE, daß diese in der Lage war, einen Wahlprozeß durchzuführen, daß sie jedoch überfordert ist, wenn sie durch politische Verhandlungen Weichen stellen soll. Die bisherige Struktur – in ihr sind ja die Länder Europas sowie die USA und Kanada vertreten – führt oftmals zu einer politischen Blockade, weil gerade noch der niedrigste gemeinsame politische Nenner sich durchsetzen läßt. Die Pressepolitik der Organisation in Bosnien-Herzegowina könnte unter der Rubrik „Verschleierung von Problemen“ charakterisiert werden. Eine große moralische Autorität konnte sie deshalb in der Zeit nach dem Fall der Mauer und dem Zusammenbruch des sozialistischen Blocks nicht gewinnen. Mit der Beteiligung Rußlands an der Mission wird Jelzins Regierung zwar eingebunden. Es wird damit jedoch auch den serbischen Interessen entgegengekommen. Für eine eigenständige Aktionsfähigkeit der Organisation könnte dies negative Auswirkungen haben.

Dementsprechend verhalten sind auch die Reaktionen der Kosovo-Albaner auf den in Belgrad verhandelten Kompromiß. Daß die internationalen Hilfsorganisationen bald wieder aktiv sein können, daß die Menschen doch nach und nach in ihre Dörfer zurückkehren können, dies alles wird in Prishtina vorsichtig optimistisch beurteilt. Daß in dem Kompromiß jedoch die meisten politischen Fragen ausgeklammert wurden, ist für viele zu wenig. Für die kosovo-albanische Untergrundarmee UCK sei eine dreijährige Übergangszeit hin zur Unabhängigkeit des Landes akzeptabel, erklärte ihr Sprecher Bardyl Mahmudi in Genf, aber keine vagen Formulierungen über eine Autonomie.

Die politische Persektive ist weiterhin unklar. Richard Holbrooke bestätigte dies, indem er lediglich seine Hoffnung ausdrückte, der politische Prozeß würde den Kosovaren Autonomie und Selbstbestimmung bringen. Eine Wende sei zwar erreicht, aber keine Entwarnung. Die serbische Seite müsse sich an die im Abkommen festgelegten Prozeduren halten, erklärte er vor Journalisten. Die Nato soll ihre Einsatzbereitschft wohl vorerst aufrechterhalten.

Das Fünkchen Hoffnung besteht wohl darin, daß mit der internationalen Präsenz zunächst eine Beruhigung der Lage eintreten könnte. Mit dem Abkommen haben die internationalen Institutionen einen Fuß in der Tür Restjugoslawiens. Langfristig, so die Kalkulation, würde dies die serbische Seite zur Einhaltung von demokratischen Normen zwingen. Erich Rathfelder