Kommentar
: Ein Sieg mit hohem Preis

■ Milosevic wurde bezwungen, das Völkerrecht wurde beschädigt

Erleichterung macht sich breit. Präsident Milošević hat eingelenkt. Nicht aus Einsicht, sondern weil er den innerstaatlichen Kampf gegen die Separatisten des Kosovo bereits gewonnen hat und weil ihm massiv mit militärischer Gewalt gedroht wurde.

Wie bereits in Bosnien, so hat sich auch im Kosovo die Wahl der Waffen als wirksam erwiesen. Die Erkenntnis aus beiden Konflikten lautet: je massiver und glaubwürdiger die Androhung militärischer Gewalt, desto wahrscheinlicher ein Einlenken der Gegenseite. Doch bedingt die Drohung mit Gewalt als Ultima ratio auch die Bereitschaft zu ihrer Anwendung. Und die hätte im Kosovo nicht nur eine militärische Auseinandersetzung bedeutet, sondern auch das Risiko unkalkulierbarer Ausweitung. Es ist zudem nicht erwiesen, daß damit die Situation in der Region dauerhaft befriedet worden wäre.

Nun sind beides Vorbehalte, die auch zu Beginn des Bosnien-Einsatzes geäußert wurden und sich inzwischen als unbegründet herausstellten. Doch einem Kosovo- Einsatz hätte der Makel angehaftet, keine völkerrechtliche Grundlage gehabt zu haben. Der Wille zum Eingreifen war zwar in der eklatanten Verletzung der Menschenrechte begründet, jedoch nicht durch die Normen der Staatengemeinschaft legitimiert. Der angedrohte Einsatz stand sogar im Widerspruch zu diesen Normen, weil die Nato bereit war, den Willen einzelner Staaten zu übergehen.

Menschenrecht läßt sich jedoch zwischen den Staaten nur über das Völkerrecht durchsetzen. Sonst wird der universale Anspruch selbst despotisch, er kann sich allenfalls in die vage Hoffnung retten, daß der Neinsager doch noch Einsicht zeigen wird. Darauf zu setzen ist riskant. Wer dieses Risiko nicht eingehen will, tut gut daran, eine europäische Sicherheitsstruktur aufzubauen, die ein frühzeitiges effektives Eingreifen auf einer niedrigeren Stufe ermöglicht. Die Außen- und Sicherheitspolitik der beteiligten Staaten muß dazu nicht unbedingt eine gemeinsame werden, aber sie muß ein gewisses Maß an Gemeinsamkeiten aufweisen. Wenn die Tatsache einer überwiegend sozialdemokratisch regierten Europäischen Union eine außenpolitische Bedeutung hat, dann in dieser Aufgabe. Es sollte nicht mehr vorkommen müssen, daß ein sozialdemokratischer Kanzler und sein grüner Außenminister einem Militäreinsatz ohne UN-Mandat ihre Zustimmung erteilen. Dieter Rulff