Aufgebrezelt zum Auftakt

■ Erstmals fand zum Semesterauftakt jetzt eine feierliche Begrüßung der StudienanfängerInnen in der Glocke statt / Sowas gibts künftig jedes Semester

Zum Einstieg in den neuen Lebensabschnitt kam Tina erst mal eine Runde zu spät: Die gesamte Einführungswoche für StudienanfängerInnen ging an ihr vorüber. „Das habe ich wohl verpeilt“, sagt die 21jährige zukünftige Grundschullehrerin. Jetzt ist sie hier in der Glocke, um an der ersten feierlichen Begrüßung der „Erstis“ durch die Universität teilzunehmen. 500 oder 600 der rund 1.900 Erstsemester sind gekommen, um ihren Gemeinsinn fördern zu lassen.

Ein bißchen fällt Tina aus der Kleiderordnung mit ihrem hochgezwirbelten blonden Igelkopf und dem Alltagsdress – als sie reinkam, hat sie das geschockt. „Das ist wohl eher eine Sache, zu der man mit den Eltern hingeht“, analysiert sie die Situation während ein paar Twens im kleinen Schwarzen vorbeigleiten. Ganz unwohl fühlt sich die Neubremerin dann in dem formalen Rahmen aber doch nicht. Was mit Beethoven anfing, soll mit Jongleuren und brasilianischem Samba aufhören. Das gibt Anlaß zur Hoffnung.

Ein Teil der zwischengelagerten Reden hat sie schon über sich ergehen lassen – genau wie Karsten und Simone. Zum Beispiel die warmen Worte von, ähh, dem Bürgermeister. „Cool“ sei seine Begrüßung gewesen, sagt Lehramtsstudentin Simone, 20, um gleich einzuschränken: „aber ein bischen schmalzig“. Und ihrem 22jährigen Lover aus der Produktionstechnik, mit Prinz-Eisenherz-Frisur und buntem Schlips, ist nicht entgangen, daß Henning einige Redun-danzen in seiner freien Rede hatte – vor allem mit der Passage, wie toll er es fände, daß sich die Jugend für Bremen entschieden hätte.

Henning Scherf hatte sich an die Zeit erinnert, als an der Bremer Uni der Versuch lief „aus den verkrusteten Strukturen herauszukommen“. Inzwischen ist man ein paar Schritte weiter und freut sich über die Einführung des Begrüßungsrituals an der ehemaligen roten Kaderschmiede: „Ich habe lange darauf gewartet, daß die Uni sich soetwas traut“, bekannte Scherf. Und Konrektor Wilfried Müller argumentierte gegen die Behauptung, der Gründungsgedanke der siebziger Jahre sei verloren gegangen – Interdisziplinarität und Praxisbezug würden schließlich immer noch hochgehalten. Allein der Vertreter der Studierendenschaft, Lars-Christian Wichert, versucht der Festgemeinde in die Suppe zu spucken (siehe Dokumentation).

Einsam auf einer Plüschbank zwischen zwei goldumrahmten Spiegeln sitzt in der Pause die angehende Kulturwissenschaflerin Antje. Sie hat sich gefreut über die Einladung zur Feier – eine kleine Motivation zum Studieren sei das schon, meint die 19jährige. Und das tut gut. Denn schon nach der einen Woche Uni ist sie auf dem harten Boden der Realität angekommen: „Hier ist alles sehr chaotisch. Man ist ziemlich auf sich alleine gestellt.“ Christoph Dowe