Arbeitsamt vermittelt Jobs als Klinkenputzer

■ 2.000 selbständige Vertreter gesucht. Gewerkschaft: äußerst kritikwürdig. Grüne skeptisch

Plastikdosen, Staubsauger und Tiefkühlkost verkaufen – ein Job, der Ausdauer und häufig Überredungskunst braucht. Doch der Markt scheint noch nicht gesättigt: In Berlin und im Umland werden derzeit 2.000 selbständige „Direktvertreter“ gesucht, so der Arbeitskreis „Gut beraten – zu Hause verkauft“, in dem 27 Direktvertriebsfirmen von Tupperware bis Avon- Kosmetik vertreten sind. 14 von ihnen suchen neue VerkäuferInnen. Und weil Arbeitsämter seit Jahresanfang auch Jobs vermitteln dürfen, die zur Selbständigkeit führen, widmet sich das Arbeitsamt Ost jetzt erstmals dem Bereich der Handelsvertreter.

„Da anscheinend ein großer Bedarf besteht, wollen wir Arbeitslosen ohne Risiko solche selbständigen Jobs vermitteln“, sagt Reinhard Kröning vom Arbeitsamt Ost, das für Hellersdorf, Hohenschönhausen und Marzahn zuständig ist. Es handele sich nicht um „Drückerkolonnen“, sondern um „sehr seriöse Firmen“. Kröning, der für die Arbeitsvermittlung verantwortlich ist, hat mit seinen MitarbeiterInnen 2.500 Arbeitslose ausgewählt, auf die das „Jobprofil“ eines Vertreters passen könnte. Auf einer Stellenbörse, die heute stattfindet, sollen sie und weitere Interessierte vermittelt werden.

Doch wie erfolgreich das Arbeitsamt dabei sein wird, ist völlig offen. „Wir hoffen, daß wir 300 bis 400 Menschen vermitteln“, sagt Kröning. Denn, so gibt er zu, Verkaufsgespräche könnten nicht alle führen. Daß die Jobs nicht sozialversicherungspflichtig sind, die Vertreter sich selbst versichern müssen und meist auf Provisionsbasis arbeiten, findet er weniger problematisch. „Wir müssen alle Wege gehen, die uns offenstehen um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren“, sagt er. Andere Arbeitsämter hätten dabei größere Ressentiments gezeigt. Doch, so sagt Kröning immer wieder, für den Vertreter entstünde keinerlei Risiko. „Er bekommt für sechs Monate Überbrückungsgeld vom Arbeitsamt.“ Bei Bedarf werde er von einer Existenzgründungsgesellschaft beraten. Liege ihm die Arbeit nicht, könne er danach wieder Arbeitslosengeld oder -hilfe beantragen.

Äußerst kritikwürdig findet Manfred Birkhahn, Vorsitzender der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), die Initiative des Arbeitsamtes. „Wenn ich das höre, wird mir ganz schummrig“, sagt er. Die „Klinkenputzer“ hätten überhaupt keinen sozialrechtlichen Schutz. „Tupperware in der Nachbarschaft zu verkaufen, kann eine nebenberufliche Tätigkeit sein, wird hier aber als Selbständigkeit deklariert“, ärgert er sich. Auch Sibyll Klotz, bei den Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus für Arbeitsmarktpolitik zuständig, ist skeptisch. Grundsätzlich begrüße sie es, wenn Arbeitsämter neue Wege gingen, doch bei diesen Vertreterjobs würde eine „nicht unbeträchtliche Zahl“ von Scheinselbständigen produziert. Julia Naumann

Stellenbörse heute von 10 Uhr bis 18 Uhr, Am Köllnischen Park 6–7