Ganz schön blöd: Siziliens Mafia in Geldnöten

■ Clans in Catania halbieren Gehälter für ihre Killer. Nun morden die eben auf eigene Rechnung

Rom (taz) – So weit ist es nun gekommen: Siziliens Mafia, noch vor einem halben Jahrzehnt mit Jahresumsätzen von umgerechnet 200 bis 300 Milliarden Mark gesegnet, steckt in schweren Zahlungsnöten. Nachdem schon vor zwei Jahren bekannt wurde, daß die Bilanz der Clans erstmals seit Menschengedenken ins Rot abrutschten – die Ausgaben für Killer, Erpresser, Rechtsanwälte und Witwen umgekommenen Clanmitglieder überstiegen die Einnahmen –, berichten Überlaufer aus dem ostsizilischen Catania nun der Polizei, daß die größten „Familien“ der organisierten Kriminalität ihren Mitläufern nicht mehr wie bisher monatlich umgerechnet an die tausend Mark bezahlen, sondern nur noch die Hälfte; ja, daß sich inzwischen sogar erprobte Killer beklagen, weil ihnen die „Abschußprämie“ von – je nach Gefährlichkeit – zwischen 1.000 und 30.000 Mark nicht mehr bezahlt wird.

Italiens Strafverfolger frohlocken natürlich darob: Reihenweise kommen die „picciotto“ oder „sicari“, wie die Novizen und Mitläufer im Mafia-Jargon genannt werden, in die Polizeidienststellen, jammern und wollen ihr Wissen preisgeben, um sich zu rächen. „Ein Riesenerfolg unserer Strategie, die Mafiagruppen dort zu packen, wo sie am empfindlichsten sind“, frohlockt ein Mitglied der Staatsanwaltschaft, „nämlich am Geld.“

Tatsächlich läßt Italiens Antimafiagesetz die vorläufige Beschlagnahme verdächtiger Güter für lange Zeit zu. Zwar verfallen am Ende nur etwa 30 Prozent des beschlagnahmten Besitzes dem Staat, doch „daß die Bosse jahrelang nicht über das Geld und die Güter verfügen können, schwächt sie so sehr, daß mittlerweile selbst kleine Schutzgelderpresser von ihren Bossen Vorauskasse verlangen“, weiß ein Ermittler.

Ob sich daraus aber am Ende Vorteile für jene ergeben, die die „Ehrenwerte Gesellschaft“ bekämpfen, ist keineswegs ausgemacht. Gerade in Catania und Umgebung haben sich inzwischen tausenderlei kleine Gruppen gebildet, die sogenannten „Stiddari“ (genannt nach den tätowierten Sternen, „stidde“, auf ihren Armen), die den Markt untereinander aufteilen.

Die sind so viele und so klein, daß sie wesentlich schwieriger zu kontrollieren sind als die vordem streng hierarchisch herrschenden großen Clans, bei denen man genau wußte, wer wohin gehörte. Die Pleite der Mafia könnte sich bald in eine Pleite der Ermittler verwandeln, die der Masse der Delikte am Ende nicht mehr Herr wird. Werner Raith