Die Albaner im Kosovo sind enttäuscht

Die Bevölkerung in der serbischen Provinz sieht in dem Abkommen zwischen Holbrooke und Milošević eine Verlängerung der serbischen Herrschaft. Die UČK berichtet von weiteren Angriffen auf Dörfer  ■ Von Erich Rathfelder

Die kosovoalbanische Bevölkerung ist von dem zwischen Richard Holbrooke und Slobodan Milošević ausgehandelten Kompromiß enttäuscht. Die zukünftig hier stationierten ausländischen Beobachter würden nur die ungebrochen weiterbestehende serbische Herrschaft im Kosovo überdecken, ist der Tenor aus allen politischen Lagern der Kosovo-Albaner in der serbischen Provinz Prishtina.

Die größte Militärmacht der Welt habe aus Milošević „Konzessionen“ herausgepreßt, die dieser ohnehin bereit war zu geben, sagt mit ironischem Unterton Veton Surroi, ein einflußreicher Verleger und Mitglied der kosovoalbanischen Verhandlungsdelegation. Die Botschaft bestehe nun darin, daß alle Mini-Diktatoren in der Welt sich leisten könnten, Verbrechen zu begehen, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Einig sind sich die Kosovo-Albaner darin, daß der Einsatz von 2.000 Beobachtern der OSZE lediglich die bestehende Beobachtermission quantitativ erweitern würde, nicht jedoch einen qualitativen Sprung bedeutete. „Die Welt wird nun wie zu Beginn des Krieges in Bosnien in der Lage sein, die Verbrechen genau zu beobachten, ohne sie zu verhindern“, spitzte gestern ein Mitarbeiter von Surroi diese These zu. Der jetzt ausgehandelte Kompromiß, so Surroi, gestehe den Kosovaren einen Status unterhalb des Autonomiestatuts von vor 1989 zu und beließe die serbische Herrschaft im Kosovo unangetastet. Die Aktion der Nato habe nur dazu geführt, daß Milošević die Pressefreiheit in Serbien weiter strangulieren konnte.

Schärfer als durch den moderaten Politiker Surroi fällt das Verdikt der UČK, der Kosovo-Befreiungsarmee, aus, die angesichts der Verhandlungen einen Waffenstillstand verkündet hatte. In einer Erklärung der UČK hieß es, nach ihren Informationen hätten sich die serbischen Streitkräfte keineswegs zurückgezogen, sie hätten im Gegenteil ihre Stellungen in den letzten Tagen sogar ausgebaut. Weiterhin würden Dörfer im Kosovo mit Artillerie angegriffen – so am Dienstag die Dörfer in den Regionen Pashtrik und Nerodime, wie Malishevo, Dragobil, Bubavec und andere. Serbische Truppen würden in der Grenzregion zu Serbien zusammengezogen.

Auch der Schriftsteller und ehemalige politische Gefangene Adem Demaci, ein Gegenspieler des gewählten kosovoalbanischen Präsidenten Ibrahim Rugova, schlägt in die gleiche Kerbe. Er hoffe jedoch noch darauf, daß die Nato weiterhin ihren Alarmzustand aufrechterhalte und daß die internatonale Gemeinschaft nicht auf die bekannten Tricks von Milošević hereinfalle, Zusagen zu machen, um sie dann langsam wieder zurückzunehmen. Auch die in den letzten Jahren aufmüpfigen Studenten zeigten sich enttäuscht. „Wir haben unsere Hoffnungen auf den Westen und auf die Nato verloren“, erklärten ihre Vertreter in Prishtina.

Bei seinem Besuch in den Redaktionsräumen der kosovoalbanischen Zeitung Koha Ditore mußte sich der US-amerikanische Unterhändler Richard Holbrooke die Unmutsäußerungen der Redakteure gefallen lassen. Als er als „Holbrooković“ bezeichnet wurde, mußte der Diplomat immerhin schunzeln. Ernst jedoch wird die Lage für den moderaten Präsidenten der Kosovo-Albaner, Ibrahim Rugova. Nach einem Bericht des britischen Journalisten Tom Walker sind Teile der UČK dermaßen über Rugovas Politik aufgebracht, daß sie Anschläge auf Rugova erwägen. Dabei hat der Präsident im Sinne der Stimmung der kosovoalbanische Öffentichkeit von einen Vertrauten erklären lassen, „das Ergebnis der Verhandlungen Holbrooke/Milošević legitimiert die serbische Okkupation Kosovos durch die internationale Gemeinschaft“.