Hacking the Future

■ Das Interface 3-Symposium thematisiert Chancen und Gefahren des Internets

Wer einen Abend durch das Internetz surft, stellt schnell fest, daß sich neben der üblichen Face-to-Face-Kommunikation neue Formen des Gesprächs ergeben haben. Da wird eine Art Pidgin-Englisch gesprochen und mit Rollen und Geschlechtern gespielt, die ja der User anhand seines Bildschirms kaum aufzudecken vermag. Im Internet gibt es noch kein Strafgesetzbuch, keine Net-Police, die Vergehen ahnden würde. Diese Offenheit birgt die Chance, im Netz neue Formen des Umgangs zu erproben – manche reden gar einem digitalen Marxismus das Wort.

Unter dem Titel „Labile Ordnungen“ wird sich von 1. bis 3. November in der Freien Akademie eine illustre Schar von Forschern und Künstlern zwischen Netzkritik und Netzhype austauschen. Daß dies Problemfeld bald alle angehen wird, machte Siegfried Zielinski, der Gründungsrektor der Kunsthochschule für Medien in Köln, bei der Präsentation anschaulich. „Heute ist es ein Luxus, am Netz zu hängen“, meint der Berater des dritten in Hamburg stattfindenden Interface-Symposiums. „In weniger als 10 Jahren aber wird es ein Luxus sein, nicht am Netz zu hängen. Dann wird es in echt nurmehr Luxusgüter zu kaufen geben.“ Zielinski, der sich mit der entgegengesetzten Zeitwahrnehmung am Computer zwischen Hetze und Warten beschäftigt, zieht Parallelen zu Diskussionen, die in den 20 Jahren vor der massenhaften Einführung des Radios geführt wurden.

Grundrisse einer Netzkritik stellt hingegen Geert Lovink, Mitglied der Amsterdamer Agentur Bilwet (Stiftung zur Förderung illegaler Wissenschaften), in Aussicht. Seit Jahren hält es der sympathische Quereinsteiger für seine Pflicht, Design und Nutzung der neuen Medien nicht den Technikern und den „Kapitalbündelungen“ zu überlassen und darüberhinaus eine europäische Position gegen die „kalifornische Techno-Euphorie“ zu formulieren. Daß Geert Lovink als Leiter von Interface 3 gewonnen werden konnte, ist gewiß ein Glücksfall. Der fröhliche Netzkritiker leistet sich als einer der wenigen in der Branche eine anarchistische Aufsässigkeit, wirbelt Metaphern durcheinader und stößt Fenster auf. Außerdem wird es wohl ihm zu verdanken sein, daß „Labile Ordnungen“ auch Hacker und Cyberpunks thematisiert und mit dem Ehepaar Kroker aus Kanada sowie Roseanne Stone aus Texas zwei abendliche Text-Performances anstehen, die die Sinnlichkeit des Denkens zelebrieren.

Volker Marquardt Das ausführliche Programm wird an dieser Stelle nachgereicht.