„Das Szenario war absehbar“

■ Manche Hamburger KiTa wird derzeit durch die neuen Abrechnungsrichtlinien des Jugendamtes zahlungsunfähig

„Wenn das Geld nicht schleunigst nachgezahlt wird, können wir im November die dreizehnten Monatsgehälter nicht auszahlen.“ Die Geschäftsführerin der Harburger Krabbelkiste, Jutta Diederich, ist empört. 12.000 Mark weniger hatte das Hamburger Amt für Jugend der Kindertagesstätte, in der fünf ErzieherInnen 32 Kinder betreuen, im Oktober überwiesen. Nun fehlt der Kita rund ein Drittel des Budgets.

Die Ursache: Die staatlichen Zuschüsse wurden gekürzt, weil der Elternanteil an allen Aufwendungen der Kindertagesstätten mit dem seit Januar geänderten Beitragssystem von elf auf rund 13 Prozent steigen sollte. Doch nicht überall wurde diese Erwartung erfüllt: „Viele Einrichtungen waren ad hoc zahlungsunfähig“, berichtet der Geschäftsfüher des Alternativen Wohlfahrtsverbands (SOAL), Claus Reichelt. Je nach Größe fehlten von heute auf morgen zwischen 1000 und 25.000 Mark – ohne Vorwarnung: „Fast zeitgleich mit den Kürzungen, erhielten wir ein Schreiben des Amtes für Jugend, in dem wir darüber informiert wurden“, so Reichelt. Es beinhaltete zwar die Aufforderung, daß sich die Träger, deren Liquidität durch die Umstellung gefährdet sei, mit der Behörde in Verbindung setzen sollten. Doch für die personell knapp ausgestatteten Kindertagesstätten sei das in der Kürze zum Teil gar nicht möglich, denn abgesehen vom Ärger entstünden Mehrarbeit und Kosten, sagt der SOAL-Geschäftsführer. Dabei hätte die Behörde dieses Szenario vermeiden können, wenn sie die Beitragsentwicklung der vierteljährlich fälligen Abrechnungen, die die Kindertageseinrichtungen bei der Behörde einreichen müssen und die im September wieder fällig waren, abgesehen hätte, erklärt die Geschäftsführerin der Krabbelkiste, Jutta Diederich.

Dieses Verfahren wäre mit einem zu hohen Aufwand für die Behörde verbunden gewesen, rechtfertigt sich dagegen der Leiter des Amtes für Jugend, Jürgen Näther. Dort hatte man den umgekehrten Weg für praktikabler gehalten. Denn: Im Schnitt zahlten die Eltern höhere Beiträge und so hat der größere Teil der Kitas auch höhere Einnahmen. „Wir mußten so vorgehen, um eine Überfinanzierung zu vermeiden“, so Näther. Im Klartext: Sollen lieber die Kindertageseinrichtungen ihre Konten überziehen, als daß die Behörde ihren Finanzrahmen allzu sehr strapazieren muß. Als Trost versprach der Jugendamtsleiter aber, daß die Rückforderungsanträge innerhalb weniger Tage bearbeitet werden. Es sei schließlich wenig sinnvoll, wenn Einrichtungen Kredite aufnähmen und die Zinsen der Behörde in Rechnung stellten.

Für den Alternativen Wohlfahrtsverband ist die Vorgehensweise wieder ein Beispiel dafür, wie sich das Amt für Jugend über die im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankerten Grundsätze einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit freien Trägern hinwegsetzt. „Ohne sich um die Erfahrungen, Meinungen und Interessen der freien Träger zu kümmern, diktiert das Amt für Jugend die Bedingungen“, so Reichelt. So geschehen bei der Verläßlichen Halbtagsgrundschule oder den 1994 Jahr verkündeten „Personalkürzungen“ zur Umsetzung des Anspruchs auf einen Kindergartenplatz. paf