Kaffeetassen mit Segelbooten drauf

■ Klar zur Wende? Auf der hanseboot 95 können sie auch Tretboote kaufen

„Auf diese blöde Bootsmesse kriegst Du mich nicht hin, die kann ja nur noch von Du und Deine Welt übertroffen werden“, sagt mein Freund. Aber ich freu mich doch. Ein neues Segel kann ich immer gebrauchen. Wichtig ist allerdings auf der hanseboot, daß man Bootsschuhe oder Segeljacken von Helly Hansen trägt, sonst wird man als Frau nur mitleidig betrachtet. Wie jedes Jahr. Liebevoll wird in Halle 12 am Rumpf des „18 Fuß Strandcat“ ein Fleck weggewienert. In der unteren Etage möchte sich ein Pärchen das Tretboot “Nixe“ kaufen. Für fünf Personen und nur 4.945 Mark.

Im Obergeschoß stellen Heerscharen von Marinemalern auf blankgeleckten Ausstellungsflächen ihre Gemälde in Glasvitrinen aus. Alle haben sich auf Messeoutfit gestylt. Enge Kostümchen, gutsitzende Frisuren und Anzüge dominieren das Bild. Eine erfrischende Abwechslung bietet das Rentnerpaar Sigrid und Rudolf Steinmetz. Seite an Seite sitzen sie da und lösen gerade das dritte Kreuzworträtsel. Seit vierzig Jahren ein eingespieltes Team. Sie trägt eine rote Strickweste und macht die Finanzen und den Proviant. Er malt seit der Pensionierung Segelschiffe auf Bestellung und war 23 Jahre lang Leiter der Hamburger Gaslaternen-Straßenbeleuchtung. Die Gaslaternen waren ja nun fast überall, plaudert er. An ihrem Stand stehen zwei Kaffeetassen mit Segelbooten drauf, unter dem Küchenhandtuch ist der Süßstoff versteckt, Thermoskanne, Haribos, Kekse und eine Primel verzieren den Tisch. Sie sitzen vor ihren Bildern und wissen viel über die Ausstellungen auf der Messe. Ja, dieses Jahr gäbe es eine sehr schöne russische Ausstellung. 300 Jahre russische Kriegsmarine. Das sei doch besser als die japanische im letzen Jahr. Die hatten noch nicht mal ein Gemälde vom Russisch-Japanischen Krieg dabei.

Hausboote, Segeljollen, Jachten, Kanus und Abzeichen. Die hanseboot ist keinesfalls langweilig. Riesenschiffe wie Westerly 35 für 172.000 DM, bei denen „der Innenausbau auch in Kirsche zu haben ist“, sind weniger interessant. Aber die wuselige Halle Neun bietet wunderbaren Superstreß: laute Sommerhits, braungebrannte Surfhelden, Neoprensocken, Helme mit Visier, Windmesser, Wellenreitbretter und Segelauslaufmodelle verführen das SeglerInnenherz. Wenn sich dir hier etwas in den Rücken bohrt, ist es todsicher ein Messebesucher, der sich gerade einen neuen Mast gekauft hat und nun unverdrossen mit dem sperrigen Teil weiter durch die heiligen Hallen wandert. Die Surfbretter bekommt man eher mit einem dumpfen Schlag von der Seite: „Sorry, mein neuer Sinker“, wird dann stolz verkündet. Die Neoprenkopfhauben, die aussehen wie Haßkappen, kosten nur 15 DM. Sie wären für die hanseatische autonome Szene durchaus eine warme, wasserdichte Alternative für den bevorstehenden feuchtkalten Demowinter.

Frauen werden hier eher etwas von oben herab beraten. Deshalb tut es not, mit zwei, drei Sätzen durchblicken zu lassen, daß man vom Fach ist. Etwas erstaunt nimmt das der Windsurfverkäufer zur Kenntnis, und wechselt den Ton. Ich schieße begeistert mit meinem soeben erworbenen Segel um die Ecke, erwische einen gestreßten Messebesucher voll an der Schulter und sage lässig: „Sorry, bißchen sperrig mein neues Sturmsegel.“ Christina Gottschall