Auto? Aber hallo!

■ Nicht das Auto ist böse, sondern die Kinder kennen keine Physik: ADAC mit „Hallo Auto“ an Bremer Schulen unterwegs

Sollen Kinder zu Autos, die Kinder totfahren, „Hallo“ sagen? Der ADAC (Gau Weser-Ems) meint: ja! Er führt dieser Tage verkehrspädagogische Doppelstunden an den Orientierungsstufen der Bremer Schulen durch, und zwar mit einem Hallo-Auto. Das ist ein bunter Fiat, auf dem „Hallo Auto“ steht. Es geht nämlich nach Ansicht des ADAC darum, bei Kindern das Feindbild vom Auto abzubauen („fährt Kinder tot“), damit sie das Auto als Partner im Straßenverkehr begreifen („Hallo!“). Das mag sich papiern und theoretisch anhören. Doch die fünften und sechsten Klassen an der Schule Drebberstraße in Hemelingen hatten gestern einen Heidenspaß.

Zwei nette Moderatorinnen vom ADAC, die sowohl mit Kindern umgehen als auch wild autofahren können, unternehmen einen Vormittag lang auf dem abgesperrten Lehrerparkplatz Notbremsversuche mit den Kindern. Zuerst machen die Kinder Vollbremsungen mit sich selbst. Losrennen, bremsen. Kinder glauben nämlich gemeinhin, daß, wer bremst, auch steht.

Also malt man ihnen einen Kreidestrich auf die Straße („Ziel“) und läßt sie schätzen, wo sie auskommen, wenn sie am Ziel bremsen. Die meisten tippen auf „Ziel“, was sonst. Da haben sie sich aber erheblich geirrt – Bremswege von über zwei Metern kommen vor. Und wenn sie auf Kommando bremsen sollen, kommt sogar noch ein Meterchen Reaktionsweg hinzu. Weil die Botschaft ja vom Auge zum Fuß transportiert sein will. Am Schluß der ersten Versuchsserie halten fünf Kinder je ein Schild in die Höhe: Reaktionsweg + Bremsweg = Anhalteweg. Aha!

Noch größer wird der Spaß mit dem Hallo-Auto. Erstens autofahren. Zweitens wild. Drittens bei Vollbremsung im Gurt hängen. Viertens verhaut man sich beim Bremsweg eines Autos noch viel schlimmer. Vollbremsung mit 30 Sachen? „Paaaah, ein Witz, ich knalle mit meinem Papa mit 180 Sachen über die Autobahn!“ Sagen die Kinder und plazieren ihre rotweißen Hütchen in der Nähe der Ziellinie. „Moderatorin“ Christiane Wessel geht voll in den Anker. 4,5 Meter Bremsweg – oho! Nächster Versuch mit Reaktionszeit. Ein Schüler hebt eine Zielflagge. Macht 1,5 Meter Reaktionsweg zusätzlich. Plus dröhnende Musik aus dem Autoradio (Autoradio ist Ablenkung) macht noch mal zwei Meter.

Und jetzt alles mit Tempo 50. Also knapp doppelt so schnell. Die Findigen tippen auf knapp den doppelten Anhalteweg. Frau Wessel rast heran. Bremst, daß das ABS klackert. Die Kinder stürzen zu ihren Hütchen. Das Auto hat sie weit hinter sich zurückgelassen. Paulina resummiert trocken: „Alle wären tot.“ Tja: doppeltes Tempo, vierfacher Bremsweg! Dazu kommt der Reaktionsweg, vierzehn Meter bei 50 Sachen!

Und wäre dann noch das Radio an, quengelten die Gören, düdelte das Handy – dann hätte das notorische hinter seinem Ball herrennende Kind schlechte Karten. Nicht etwa, weil das Auto böse ist, sagt der ADAC. Sondern weil der Fahrer keine Chance hat, das Auto rechtzeitig anzuhalten, aus physikalischen Gründen. Lernziel, mit den Worten des ADAC: „Physik ist überall und betrifft ausnahmslos jeden. Vor ihren Gesetzen sind alle gleich.“

„Hallo Auto“ gibt es bereits zehn Jahre lang – drunten in Bayern. In Bremen bot der ADAC den Schulen das Programm erstmals 1997 an. Damals nahmen 16 Klassen teil, dieses Jahr sind es schon 51. „Hallo Auto“ ist eine Art Fortsetzung der bekannten Fahrradturniere an der Grundschule, wobei das echte Autofahren natürlich besonders attraktiv ist. Kommende Woche steht das Hallo-Auto in der Schule Ronzelenstraße; Anfang November ist die Schule Walliserstraße dran. Schulen, die das (kostenlose) Angebot nächstes Jahr wahrnehmen wollen und die in erreichbarer Nähe etwa 130 Meter absperrbarer Straße anbieten können, sollten sich schon jetzt melden.

Aber es wundere sich niemand, wenn das Programm im nächsten Jahr anders heißt. Gewisse politische Bedenken unter anderem der niedersächsischen Landesregierung haben zu einer Umbenennung geführt. Die Brems-“Er-Fahrung“ (ADAC) mit dem euphemistischen Namen „Hallo Auto“ heißt künftig bundesweit „Achtung Auto“. Anders ausgedrückt: Der fromme Wunsch mußte der bitteren Realität unterliegen. BuS