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Femikratie im Internet

■ Auf der Datenautobahn zur virtuellen Schwesternschaft Von Silke Mertins

„Innerhalb von 10 Tagen“, so Astrid Lindbergs Verheißung, „ist für jede Frau die Nutzung von E-Mail erlernbar“. Und: Mit jedem „ollen Möffchen“ der Computergeneration „286er“ und einem Telefonanschluß kann die Lila Sause auf der Datenautobahn losgehen: Modem angeschaltet, die Hamburger Frauenmailbox „Fenestra“ angewählt und schon kann frau nicht nur Informationen zu allen möglichen Themen und sechs anderen Frauenmailboxen anderer Städte abfragen, sondern auch hier ein Schwätzchen über den letzten Urlaub in L.A. und dort eine philosophische Diskussion über die Sinnhaftigkeit des Lebens führen.

„Hier steckt so etwas wie eine Gegenöffentlichkeit drin“, schwärmt Astrid Lindberg, Mitbetreiberin von „Fenestra“. Auf den Hamburger Frauentagen am vergangenen Wochenende stellten die Fenestra-„Serverinnen“ Manuela Guandalini und Bettina Martelli die feministische Eroberung der elektronischen Datenautobahn zur Diskussion. „Vernetzung“, seit eh und je eines der Lieblingsworte der Frauenbewegung, könnte elektronisch betrachtet den Diskurs und Aktionsradius enorm vergrößern: Über E-Mail können Frauen ohne Probleme mit Pazifistinnen inZagreb oder Aktivistinnen in Kurdistan kommunizieren.

Im Datennetz der unbegrenzten Möglichkeiten verbirgt sich etwas „anarchistisches“, ein herrschaftsfreier Raum, in dem „du alles loswerden kannst, was du willst“, weiß Manuela Guandalini. Doch die Technologie, „die spätestens in fünf Jahren ganz alltäglich sein wird“, so Astrid Lindberg, will erst einmal feministisch diskutiert sein. Schuld daran ist nicht nur die traditionell technikkritische Frauenbewegung, sondern auch die Mißbrauchsmöglichkeit – Stichwort Nazi-Mailboxen.

Viele Frauen befürchten, daß die Kontakte von Maschine zu Maschine die zwischenmenschlichen ersetzen. Dazu kommt, daß Mailboxen noch immer „mit einem Flair von Hackern, Subversiven und einem enormen Know-how“ umweht sind und Frauen schlicht hemmen. „Dabei ist eine Mailbox einfacher zu nutzen als ein Textverarbeitungssystem“, so Astrid Lindberg.

Eine „Nettikette“ zu schaffen, einen human-feministischen Umgang auf dem Daten-Highway, wollen Manuela Guandalini und Bettina Martelli nicht allein den männlichen Usern überlassen. „Man vergißt leicht, daß ein Mensch hinter dem Computer sitzt.“ Auf jeden Fall ist „die Entwicklung nicht mehr aufzuhalten“, so Fenstra-Mitfrau Christiane Erdmann. Frau muß sie nur noch für die Femikratie nutzen.

Frauenmailbox „Fenestra“ 040/4108410; Fragen unter 448901 u. 7235560; Kosten: zwischen acht und 25 Märkern

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