Nicht selten dicht an der Wand

Kommunizieren, um gegebenenfalls zu attackieren: die Hamburger VerlagsMontage  ■ Von Heike Dierbach

Was haben die politische Streitschrift „Roter Holocaust“?, das Historienbuch Filmstadt Hamburg und der Sado-Maso-Krimi Die Loge gemeinsam? Nichts, eigentlich. Dennoch finden sie sich zusammen in einer Lesereihe wieder – weil sie alle von kleinen und mittleren Hamburger Verlagen verlegt werden. Neun von ihnen stellen sich ab Montag mit der Reihe Hamburger VerlagsMontage in der Kantine des Schauspielhauses mit einem Programm ihrer Wahl vor.

Die Idee dazu hatten die VertriebsleiterInnen am Stammtisch. „Wir möchten sichtbar machen: Es gibt hier ganz viel!“ erläutert Hannes Sieg von der Hamburger Edition. Die Berliner Verlage haben ein offensiveres Vorgehen schon gelernt, weiß er, und in Frankfurt am Main lief im vorigen Jahr eine ähnliche Reihe mit großen Erfolg. „Unsere Programme sind genauso interessant“, versichert Sieg, „selbst neben den Veranstaltungen der großen Verlage.“ Gegen diese richte sich die neue Kooperation aber nicht, betont er – eher schon gegen die Giganten. In Zeiten, in denen der Bertelsmann-Verlag erwägt, eigene Buchhandlungen zu eröffnen, „muß man kommunizieren – um gegebenenfalls auch zusammen agieren zu können.“

Nicht nur die zunehmende Konzentration, sondern auch die immer zahlreicheren Neuerscheinungen schaffen den rund 50 kleinen Hamburger Verlagen seit einigen Jahren Probleme, sich zu präsentieren, erklärt Horst Quax, Geschäftsführer des Verleger- und Buchhändlerverbandes. Oft wird in den Firmen mit ein bis zehn MitarbeiterInnen an der Grenze der Selbstausbeutung gearbeitet, ergänzt Sieg. „Wenn dann mal zwei Titel schlecht laufen, steht man schnell an der Wand.“

Marketing-Effekte erhofft sich Andreas Schäfler von der Edition Nautilus von der Reihe zwar nicht, „aber vielleicht Synergie-Effekte mit dem Theater“. Matthias Grimme vom Charon-Verlag wiederum, der sadomasochistische Literatur verlegt, will „einfach zeigen, daß wir ein ganz normaler Verlag sind“. Allerdings gibt es vor der Lesung eine Einführung ins Thema – „viele haben doch noch viele Vorurteile“. Auch der politische VSA-Verlag möchte „eine Brücke finden, zum Beispiel mit kritischen Hamburg-Büchern“, erklärt Siebecke die Auswahl des Filmstadt Hamburg-Titels für die Lesung. Der Konkret-Literatur-Verlag hingegen setzt mit dem „Rotbuch“? schlicht seinen aktuellen Schwerpunkt ins Programm. Die Edition Nautilus wählte mit Wolfgang Bortliks Wurst und Spiele eine Mischung aus Unterhaltung und Politik, „weil das unser Verlagsprogramm widerspiegelt“. Bei Rotbuch und im Argument-Verlag fand man, die Kantine eigne sich gut als Ort für eine „Krimisession mit psychedelischer Party“ – besser für einen Dokumentarroman, entschied die Europäische Verlagsanstalt. Die wissenschaftliche Hamburger Edition schließlich suchte „etwas Spannendes“ – und wählte „die Normierung des Individuums in der Gerichtsmedizin der Aufklärung“.

Den Auftakt zu der Reihe, die bis Juni 1999 jeden dritten Montag im Monat läuft, bildet eine literarische Reise durch die „Schwei(g)z“ mit dem Arche-Verlag. Fünf Schweizer Autoren lesen aus ihren neuen Büchern zu Themen von Raubkunst über den Traum vom Fliegen bis zu einer „coolen Liebesgeschichte“. Auch das „erste multimediale Schweizer Lyrikprojekt“ von Ivar Breitenmoser wird präsentiert.

„Wir haben das Glück, gleichzeitig das Thema der Buchmesse und die Besonderheit unseres Verlages präsentieren zu können“, freut sich Verlegerin Elisabeth Raabe. Der Verlag, der ein Programm von Klassikern bis zu literarischen Kochbüchern anbietet, wurde 1944 in Zürich gegründet und 1983 von Raabe und Regina Vitali übernommen. Die Hamburger Tochter-GmbH ist erst vier Jahre alt, weswegen Raabe in der Reihe auch eine Chance sieht, lokal bekannter zu werden. In der Schweiz, wo Arche der älteste unabhängige Literaturverlag ist, gebe es „mehr Zusammenhalt, auch mit den Buchhandlungen“, weiß die Verlegerin. „Daß kleine Verlage einfach in Konkurs gehen müssen – wie etwa der Hamburger Galgenberg-Verlag –, ist dort undenkbar.“

erster Termin (Arche Verlag): Montag, 19. Oktober, 21 Uhr, Schauspielhaus-Kantine