„Keine besondere Sensibilität“

■ Rot-Grün uneins über die Richtlinie der Sozialbehörde zur Senkung der Mietzuschüsse für Sozialhilfeempfänger

Die Hamburger Regierungskoalition ist uneins über die neuen Mietrichtwerte der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS). Während die GAL Sozialsenatorin Karin Roth (SPD) rundweg aufforderte, „die Kürzungen zurückzunehmen“, sprach sich die SPD grundsätzlich für niedrigere Mietzuschüsse aus. Die Art und Weise, wie die Richtlinie zum Teil von den Sozialämtern umgesetzt wurde, stieß jedoch bei beiden Parteien auf Kritik.

Formbriefe, so räumte der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Uwe Grund, ein, seien „ein denkbar ungeeignetes Mittel, soziale Probleme von Amts wegen anzugehen“. Vor jeder Umsetzung der neuen Richtlinien müßten die persönlichen Lebensumstände und das individuelle Schicksal des Hilfeempfängers geprüft werden. Das deckt sich mit der Dienstanweisung, die eine „besondere Sensibilität“ verlangt, wenn Mieter zum Umzug aufgefordert werden sollen. Die BAGS war aber offenbar bisher nicht in der Lage, das auf der Bezirksebene sicherzustellen.

Die Lage auf dem Wohnungsmarkt beurteilt die SPD allerdings völlig anders als ihr Koalitionspartner. Im Einklang mit Senatorin Roth spricht sie von einer „entspannteren Situation am Wohnungsmarkt“. Es gelte, den Vermietern keine überhöhten Mieten aus dem Sozialtopf zu bezahlen. „So werden SozialhilfeempfängerInnen zu Sündenböcken gemacht für das teilweise halsabschneiderische Vorgehen von Vermietern auf dem freien Wohnungsmarkt“, kommentiert die wohnungspolitische Sprecherin der GAL, Susanne Uhl.

Aus Sicht der GAL haben die neuen Richtwerte der Sozialbehörde fast nichts mit der Realität auf dem Wohnungsmarkt zu tun. Die Behörde schreibt in erster Linie die Werte des Wohngeldgesetzes unter Berücksichtigung der allgemeinen Preissteigerungsrate fort. Das führe zu viel zu niedrigen Werten, kritisiert Susanne Uhl, denn es sei „weithin unbestritten, daß die Mietsteigerungen der letzten Jahre heftig über den allgemeinen Steigerungsraten lagen“.

Uhl orientiert sich statt dessen am Hamburger Mietenspiegel: Sie rechnet mit dem Mittelwert von Wohnungen in normaler Lage mit Bad und Sammelheizung. Darauf schlägt sie die innerhalb von drei Jahren bei Neuvermietungen mögliche Erhöhung um 30 Prozent und kommt auf Mietpreise, die zum Teil mehr als 100 Mark über den neuen Obergrenzen liegen.

Auch die BAGS hat in der Gegenprobe den Richtpreis für Ein-Zimmer-Wohnungen nach dem Mietenspiegel ermittelt. Dort, wo sie sich an den Mittelwerten orientiert, kommt sie nur zu geringfügig anderen Ergebnissen als die GAL-Politikerin. Ergebnis: Nur die Bestandsmieten für zwischen 1948 und 1967 gebaute Wohnungen liegen unter dem neuen Richtwert. Orientiert sich die Rechnung an der unteren Spanne, liegen auch noch die Mietpreise bei Neuvermietungen unter dem Richtwert. Für neuere Wohnungen liegen die Mieten in jedem Fall über dem neuen Richtwert. knö