Kutips zum Wochenend

Kennen Sie den E-Faktor? Früher kursierte er unter der Bezeichnung „Sex sells“. Und besagt damals wie heute nichts anderes, als daß Menschen beispielsweise ihre Diätpflanzenmargarine erst dann mit dem richtigen orgiastischen Schwung auf ihre Stulle schmieren, wenn sie zuvor in der Werbung gesehen haben, wie eine schöne halbnackte Frau vergeblich in ihrem Kühlschrank nach der Margarine sucht, die ihr schöner Lover nach der tollen durchbumsten Nacht mit zu sich genommen hat. Nicht daß es unbedingt notwendig wäre, zum morgendlichen Beschmieren des Brotes einen hormonellen Overkill zu erleben. Die Stulle findet, die Alltagserfahrung trügt da nicht, auch so ihren Weg hinters Freßgebälk. Aber, so die Idee hinter dem E-Faktor (“E“ steht, Sie ahnten's schon, für Erotik), Margarine, Schmierkäse, Sanitäreinrichtungen und ähnlich stimulierende Objekte verkaufen sich besser, wenn einen bei ihrem Anblick im Kaufhausregal wie aus dem Nichts der Wunsch überkommt: „Ich will jetzt bumsen!“. Oder so.

Blödsinn sowas, dachten wir bisher. Bis zur heutigen Redaktionskonferenz. Alle anwesenden Männer schwatzten plötzlich von ihren schönen Augen, ihrem hübschen Gesicht. Und jeder wollte wissen, was an dem Jekyll & Hyde-Musical erotisch ist, wie die große Anzeige mit der Musicaldarstellerin Lyn Liechty auf unserer Kulturseite versprach. Das hat uns zu denken gegeben. Funktioniert der E-Faktor auch bei JournalistInnen? Könnten wir gar mittels unserer erotischen Ausstrahlung die Auflage der taz steigern? – Der Selbsttest läuft. Seit heute morgen sitzen wir aus der Kulturredaktion im Tangaslip vor den Telefonen. Wir laufen leicht bekleidet zu Pressekonferenzen und Vernissagen, lesen die Post mit nackter Brust und schreiben Texte im Angesicht bemerkenwerter Blößen. Und? Was passiert? Nix passiert.

Vielleicht ist der Wirkzusammenhang an dieser Stelle doch ein anderer. Wenn wir z. B. tangabeslipt – der E-Faktor ist da kaum zu übersehen – Kutips schreiben, gehen dann vielleicht mehr Leute in die empfohlenen Veranstaltungen? Probieren wir es aus: Die Münchner Lach- und Schießgesellschaft gastiert in der Glocke (Sa+So, 20 Uhr). In der Friesenstraße 30 läuft die Eröffnungsparty des dortigen neuen Atelierhauses (Sa, 15 Uhr). Wer lang genug durchhält, kann ein paar Türen weiter zum Frühstück mit Mark Scheibe & Band gehen (Junges Theater, So, 11 Uhr) und ebendort Chansons mit Martina Flügge goutieren (So, 20 Uhr). Luis Di Matteo spielt im Übersee-Museum Bandoneon (Sa, 20 Uhr). Funny van Dannen liest Skurriles im Ambiente (Sa, 20 Uhr) und der Blueser Alvin Youngblood Hart spielt im Moments (So, 20 Uhr).

Na, war die Hütte voll? Nein? E-Faktor zu niedrig? Dann fallen eben am nächsten Wochenende auch noch die Slips. Da kennen wir nix. taz