Weltpremiere am Bahnhof Zoo

Kommende Woche eröffnet in Berlin das weltweit erste Kino in der U-Bahn. 30 Sekunden Film während 30 Sekunden Fahrt. Als Leinwand dient die Tunnelwand  ■ Von Ocke Bandixen

Berlin (taz) – Vorhang auf zur Weltpremiere. Nicht in Hollywood oder Babelsberg, nein, ausgerechnet in der U-Bahn: Wo sonst ein grauer Schleier an einem vorbeifliegt, erscheint ab kommendem Freitag echtes Kino. Zumindest für 30 Sekunden. In die Traumfabrik, zurückbleiben, bitte! Abfahrt am U-Bahnhof: Die Augen folgen spielerischen Graffitilinien, der Blick fängt sich an der Tunnelwand. Dann ertönt ein Gong, der Hauptfilm fängt an.

30 Sekunden dauert die Reise zur nächsten Haltestelle, eine halbe Minute Kino für jeden. Dabei bewegen sich nicht die Bilder, sondern der Betrachter. „Wir haben das Prinzip von Filmprojektion einfach umgedreht“, sagt Jörg Moser-Metius, der Erfinder und Initiator der Kinofahrt. Der Film entsteht in der Fahrtbewegung des Zuges, fährt der Zug langsamer, läuft der Film langsamer, bleibt der Zug stehen, steht auch das Bild. 900 Projektoren strahlen nacheinander blitzartig nur je ein Bild an die Projektionsfläche vor der Tunnelwand.

Der Wahlberliner Moser-Metius fiebert der Premiere am 25.Oktober entgegen. Mit seiner Erfindung fühlt er sich dem ganz großen Kino verpflichtet. Beispielsweise läßt er für das richtige Erlebnis wie bei breitformatigen Spielfilmen über und unter dem Bild einen schwarzen Balken installieren. Und die erste Bildstrecke hat er Charlie Chaplin, seinem Lieblingsregisseur, gewidmet. „Wer den Film liebt, liebt Chaplin“, sagt er entschieden. Da keine Beschallung vorgesehen ist, eignen sich ohnehin nur Stummfilme.

Drei Frühwerke des Meisters zeigt Moser-Metius unter anderem in seinem ersten Kinotunnel. Ihm ist es gelungen, die Familie des verstorbenen Meisters für seine Vision zu begeistern. Und so kommen mindestens 13 Mitglieder der Familie Chaplin zur feierlichen Eröffnung. Ein Filmpionier erweckt einen anderen wieder zum Leben.

„Der Weg des Films“ heißt die Ausstellung, die die Eröffnungsfeier begleitet. „Wir wollen an die große Vergangenheit der Filmstadt Berlin erinnern“, sagt Moser- Metius. „Für mich mußte dieses Projekt einfach in Berlin stattfinden.“

Schon seit 15 Jahren trägt Jörg Moser-Metius die Idee der Filmfahrt in der U-Bahn mit sich herum. Doch die notwendige Computertechnik reichte nicht aus, erst 1993 war technisch der Weg frei. Damit für den Zuschauer ein flüssiges Bild entsteht, mußte lange an der Bildfrequenz getüftelt werden. Letztes Jahr im Sommer gelang dann zum ersten Mal eine Filmfahrt auf einer Teststrecke des Partners BVG im Süden Berlins. Für Jörg Moser-Metius ein erhebendes Gefühl. Die hochsensible Anlage reagiert nunmehr auf die verschiedenen Zugtypen, auf ihre Größe und ihre Geschwindigkeit. Dem Medium Film ist Moser-Metius schon seit langem erfolgreich verbunden: Neben Erfindungen im Bereich der Kameraoptik gewann er für Kurzfilme zahlreiche Preise, darunter den Silbernen Bären und den Bundesfilmpreis.

Finanziert werden soll die Filmfahrt vor allem durch Werbeeinnahmen. Von den 18 abwechselnd gezeigten Filmen, die dauerhaft zwischen Bahnhof Zoo und Hansaplatz den Fahrgast unterhalten, sind drei reine Werbespots. Der Anteil der kommerziellen Filme soll noch ansteigen, wobei die Spots wie die Filme alle zwei Monate ausgetauscht werden.

Als externes Projekt ist die Kinoschußfahrt mittlerweile auch Teil der Expo 2000. Nächstes Jahr soll es auch in Paris und London zwischen den Bahnhöfen flimmern. Im Kino sind schließlich alle gleich, genau wie in der U-Bahn.