■ Die Quote ist kein Lobbyismus, sondern eine Frage der Demokratie
: Quote. Punkt. Aus.

Quer durch die politischen Lager wird sie mit inbrünstiger Lust diskutiert: die Quote. Der Tonfall ist scharf und wehleidig zugleich. Bedauern heischend heißt es, das falsche Geschlecht koste die Karriere. Gelänge es nicht, die Quote aufzuweichen, gerieten die Grünen noch mehr unter die Dominanz einer starken Sozialdemokratie, wird draufgesattelt, und Konrad Adam forderte gar in der Frankfurter Allgemeinen ein klares Zeichen für Regierungsfähigkeit. Nicht mehr das Bekenntnis zur Nato oder Benzinpreisabschwörung ist aktuell, sondern der „Abschied von der Quotenseligkeit“.

Eigentlich war sie doch erledigt, die gute alte Quotendiskussion. Jetzt wird sie einem neu aufgezwungen. Die Gerechtigkeitsvorstellungen der Grünen, so wird behauptet, hätten viel mit Statistik zu tun. Erst wenn die verschiedenen Bevölkerungsgruppen in proportional gleichem Umfang im Besitz von Gütern und Positionen seien, herrsche soziale Gleichheit. In der Tat, wenn sich Gerechtigkeit nur als banaler Ausdruck des statistischen Gemüts eines Rechenschiebers erweist, wäre es schlecht um die Grünen bestellt.

Im Grunde wird hier eine falsche Debatte um Gleichheit und Differenz angezettelt. Erstens ist es ein Fehler, die Quote als gleichmacherische, Qualität nivellierende Regel zu behandeln. Zweitens ist es falsch, sie mit Proporzforderungen von minoritären Gruppen zu vermengen. Niemand behauptet, Gerechtigkeit lasse sich im Leben nach dem d'Hondtschen Verfahren verwirklichen.

Es geht um etwas fundamental anderes – die Frage, wie die Teilhabe an unserem Gemeinwesen gestaltet wird. Die Beteiligung von Frauen in Parlament und Regierung und Judikative kann nur als demokratische Frage behandelt werden. Von einem demokratischen Verfassungsstaat kann erst seit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts gesprochen werden. Demokratie wird durch das gesamte Volk und damit durch alle Bürger und Bürgerinnen legitimiert. Während soziale Gerechtigkeit vielfach nur durch die ungleiche Behandlung von Gruppen oder Teilen der Gesellschaft hergestellt werden kann, muß die liberale Demokratie auf der Ebene ihrer Willensbildung und Regierung danach drängen, gleiche Teilhabe zu gewährleisten.

Demokratie lebt von Regelungen, mit denen sie sich selbst bindet. Alle liberalen Verfassungsstaaten haben deshalb Verfahren entwickelt, die ihre Legitimität sichern. Hierzu gehört das Prinzip der checks and balances ebenso wie das Wahlverfahren. Eine Begrenzung der Amtszeit des Bundespräsidenten schränkt die persönliche Freiheit des Betroffenen und derjenigen, die ihn wählen, ein, ist aber demokratisch legitimiert.

Politische Beteiligung und Beteiligungsrechte sind grundlegend in der Demokratie. Sie muß immer wieder neu danach streben, sie so weitgehend wie möglich zu verwirklichen. Frauen und Männer konstituieren die Gesellschaft, auch wenn sie grundlegend verschieden sind. Deshalb kann die Geschlechterfrage nicht als eine Proporzfrage von vielen aufgeworfen werden. Es geht eben nicht um kleinlichen Lobbyismus, sondern darum, wie die gleiche politisch-demokratische Teilhabe der Geschlechter hergestellt werden kann. Gerade wer von einer Differenz der Geschlechter ausgeht, müßte für Regeln sein, die es ermöglichen, diese Differenz auch bei der Gestaltung des Gemeinwesens sichtbar zu machen.

So gesehen ist die Quote in der Politik eine Verfahrensregel, die gleiche Teilhabe realisieren kann und damit zugleich zur Legitimität von Demokratie beiträgt, mehr nicht. Sie beseitigt weder die Freiheit, noch macht sie eine Regierung schlechter als bisher. Wenn immer von den Merkels und Noltes die Rede ist, dann denke ich an die Schmidt-Jortzigs oder Borcherts (wer war das noch gleich?). Gut, in der Konkurrenz ist alles erlaubt, aber Fairplay ist auch nicht schlecht. Birgit Laubach

Die Autorin arbeitet als Rechtsanwältin und Publizistin