Analyse
: Patt im Kosovo

■ Die Nato räumt Milosevic mehr Zeit zur Erfüllung der UN-Resolution ein

Die Würfel sind gefallen, das Spiel geht weiter. Noch ist nicht auszumachen, wer gewinnen oder verlieren wird. Tatsache ist immerhin, daß die Androhung von Gewaltanwendung durch die Nato Jugoslawiens Präsidenten Milošević zu Zugeständnissen gezwungen hat. Tatsache aber ist auch, daß sich an der Lage der Menschen im Kosovo so schnell nichts ändern wird. Wenn gerade während der Tage eines Ultimatums serbische Oppositionszeitungen verboten werden, wenn dem Sprachrohr des „Demokratischen Kosova“, der Tageszeitung Koha Ditore, gedroht wird, nicht mehr erscheinen zu dürfen, so ist nach der Unterzeichnung des Holbrooke-Milošević-Papiers ein wesentliches Zeichen gesetzt: Das Regime wird nichts unversucht lassen, die Umsetzung der Verpflichtungen zu verhindern oder zu verschleppen.

Dabei wird es darauf achten, sich so zu verhalten, daß die Schwelle, die umfassende Gegenmaßnahmen auslösen könnte, nicht überschritten wird. Die wichtigste Nagelprobe der nächsten 10 Tage wird sein – die Frist zur Erfüllung der UN-Resolution wurde von der Nato verlängert –, ob sich die serbische Spezialpolizei tatsächlich zurückzieht. Der Verdacht, nach einem Teilabzug würden viele ihrer Mitglieder als „normale“ Polizisten getarnt in der Region bleiben, ist berechtigt. Eng damit zusammen hängt die Frage, ob die Flüchtlinge in ihre Heimatorte zurückkehren können.

Daß diese zögern, ist verständlich. Warum sollten sie jetzt serbischen Polizisten trauen, die sie noch vor wenigen Wochen mit Waffengewalt angegriffen haben? 2.000 OSZE-Beobachter werden in absehbarer Zeit daran kaum etwas ändern. Werden sich die Bewohner eines Dorfes ihnen gegenüber frei äußern, wenn Milošević noch durchsetzt, daß serbische Polizisten die Beobachter begleiten sollen? Erst der Aufbau einer zunächst gemischten Polizei brächte Fortschritte. Das dauert. Die humanitäre Katastrophe ist da, die humanitären Organisationen in der Lage, die nötige Logistik schnell aufzubauen, wenn man sie ließe. Das ist zu erwarten. Denn die humanitäre Hilfe ist auch ein Geschäft für die Machthaber. In Bosnien verdienten gerade sie an der Hilfe: Bürokratische Hürden werden aufgebaut, um dann „bei Entgegenkommen“ der Hilfsorganisationen wieder zu fallen.

Das sind nur einige Probleme der internationalen Organisationen im Kosovo. Ungeklärt ist noch, ob Journalisten einreisen und frei arbeiten dürfen, ob Menschenrechtsorganisationen Zugang erhalten und das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag tätig wird. Nichts wäre jetzt falscher, als das nun aufgebaute Drohszenario der Nato wieder abzubauen. Erst müssen substantielle Fortschritte sichtbar sein. Erst wenn Milošević bereit ist, den Forderungen nachzukommen, könnte es überflüssig werden. Erich Rathfelder