Einem geschenkten Betonkopf schaut man nicht ins Maul Von Ralf Sotscheck

Die Iren haben einen riesigen Berg Zement geschenkt bekommen, vermutlich von der Europäischen Union. Da sie jedoch kein Bergvolk sind, müssen sie ihn irgendwie abtragen und anderswo unterbringen – und zwar auf den Straßen Dublins. Seit Wochen sind Bauarbeiter damit beschäftigt, das Zeug möglichst unauffällig zu verteilen. Wegen der großen Menge kann man es nicht einfach auf die Gehwege schütten, denn dann würden die einen Meter hoch. Für ältere Menschen wäre es eine unzumutbare Strapaze, wenn sie nach Überqueren der Fahrbahn jedesmal einen Klimmzug machen müßten.

In die Höhe bauen geht also nicht. Aber in die Breite. So hat man dem Bürgersteig an der Hauptstraße, die in den nördlichen Stadtteil Finglas führt, in regelmäßigen Abständen Betonausbuchtungen verpaßt, die wie Nasen in die Fahrbahn hineinragen, aber keinem ersichtlichen Zweck dienen. Darüber hinaus gibt es neben jeder dieser Nasen neuerdings eine Auffahrt mit flacher Bordsteinkante. Doch die Auffahrten enden allesamt nach zwei Metern schnurstracks an einer Mauer. Eine Autofalle?

In Phibsboro hat man den Beton für Bushaltestellenbegrenzungen verwendet. Wo der Bus früher einfach an der Straße hielt, muß er sich nun in die Haltebucht zwängen. Weil das nicht ohne größere Anstrengungen geht, halten die Busfahrer in zweiter Spur, was sie wegen der stets an Haltestellen geparkten Autos freilich ohnehin taten. Aber die Betonbegrenzungen sind nachts für Autofahrer schwer erkennbar, und so trifft sie das Betonhindernis, das plötzlich in die Fahrbahn hineinragt, völlig unvorbereitet. Als Vorsichtsmaßnahme hat man einen Blechpfeil an die Bordsteinkante gelehnt.

Der Zement war aber immer noch nicht verbraucht. Den Rest hat die Stadtverwaltung kurzerhand auf jeden zweiten Parkhafen vor Irlands größtem Friedhof in Glasnevin gekippt. Das sieht zwar elegant aus, hat aber die Parkplätze um die Hälfte dezimiert, so daß die Autos bei besonders gut besuchten Beerdigungen nun auf der Fahrbahn parken.

Das wiederum löst ein Chaos aus, denn weil man schon mal beim Umgestalten der Bürgersteige war, hat man gleich die Busspuren auf das Doppelte verbreitert. Entweder ist geplant, auch die Busse auf sieben Meter zu verbreitern, was unwahrscheinlich erscheint, oder man will in Anbetracht des irischen Freistilfahrens den Busfahrern genügend Spielraum lassen.

Der Nachteil ist, daß die beiden Autospuren – eine in jeder Richtung – so schmal geworden sind, daß ein Radfahrer bei Gegenverkehr nicht mehr überholt werden kann. Ebensowenig kommt man an einem Auto vorbei, das am Friedhof unvorschriftsmäßig geparkt ist.

All das wäre ja durchaus begrüßenswert, wäre es Teil einer Verkehrsplanung zugunsten öffentlicher Transportmittel. Doch weit gefehlt. Dublins öffentlicher Nahverkehr wäre selbst für Wanne- Eickel ein Witz: Die Fahrpläne, die neuerdings an jeder Haltestelle hängen, sorgen stets für Heiterkeit unter den wartenden Fahrgästen – während des Berufsverkehrs sind die raren Busse nämlich stets voll und halten erst gar nicht an. Dafür können sie nun auf einer sieben Meter breiten Busspur an den Haltestellen vorbeibrausen.