Das Licht verdrängt sacht den Schatten

■ Nach dem 4:1 gegen Duisburg sieht HSV-Coach Pagelsdorf fast zufrieden aus

Hamburg (taz) – Beim Hamburger SV ist man beim Blick auf die Tabelle selbst ein wenig erstaunt. Vor der Saison galt der Traditionsverein, der an diesem Wochenende den 111. Geburtstag feierte, als sicherer Abstiegskandidat. Der Kader, so warfen Kritiker dem Trainer Frank Pagelsdorf vor, würde niemals ausreichen, um eine echte und wahre Bundesligamannschaft daraus zu formen: Zu viele No-names, zu wenige Stars. Und was soll schon Tony Yeboah nutzen, wenn er hauptsächlich über die eigenen Beine stolpert, oder Karsten Bäron, der hart an der Grenze zur Sportinvalidität immer noch an seinem Comeback arbeitet.

Die Neuzugänge versprachen da kaum Besserung. Thomas Doll, der Rückkehrer aus Italien, verletzte sich erwartungsgemäß schwer und hat noch nicht einmal gespielt in dieser Saison. Von Sergej Kirjakow war bekannt, daß er bereits mit 28 Jahren den Zenit seiner Karriere überschritten hatte. Am Samstag schoß der Russe drei Tore beim 4:1 über den MSV Duisburg, und der HSV steht auf dem vierten Rang.

Nach acht Spieltagen wird langsam klar, daß Trainer Pagelsdorf sich seine Fußballer mit viel Bedacht ausgesucht hat. Mit Geduld formt er in Hamburg seit gut einem Jahr eine Mannschaft, die mittelfristig wieder internationale Klasse haben soll. Niemand setzt ihn dabei unter Druck. So bekommt der Coach einen Spieler nach dem anderen und setzt die Mosaiksteinchen zu einem kompakten Team zusammen.

Da ist zum Beispiel Nico Hoogma, der neue Libero, der im September von Twente Enschede kam. Er organisiert die Abwehr mit den Stamm-Manndeckern Andrej Panadic und Ingo Hertzsch vorbildlich und bringt durch sein Stellungsspiel die nötige Sicherheit. Sollte der Holländer einmal ausfallen, so kann, wie bereits zu Beginn der Saison, Thomas Gravesen seine Position übernehmen. Der dänische Nationalspieler ist im Moment die zentrale Figur im Mittelfeld. Weniger als Spielmacher, denn als Ballverteiler sorgt er dafür, daß die Flügelzangen ordentlich in Szene gesetzt werden. Vor allem die linke Seite mit Bernd Hollerbach und Allan Jepsen, dänischer U21-Nationalspieler, harmoniert hervorragend. Die beiden wechseln sich ständig ab. Einer zieht nach innen, um dem anderen auf der Außenbahn Platz zu schaffen.

Auf der rechten Seite klappt das nicht ganz so gut. Dort ist Kapitän Andreas Fischer meist auf sich allein gestellt, da sein jeweiliger Partner die Absicherung hinter Gravesen übernimmt. Dafür weicht der Stürmer Sergej Kirjakow auf den Flügel aus und bildet dort eine Anspielstation. Die zentrale Angriffsposition besetzt Anthony Yeboah. Inzwischen besser in Form, hat er seine alte Gefährlichkeit wiedergefunden. Langsam also, aber erfolgreich entwickelt sich in Hamburg ein gefällig spielendes Team, wenn auch der Trainer noch nicht so richtig glücklich ist: „Bei uns wechseln Licht und Schatten immer noch ab.“

Wobei Pagelsdorf nach dem Sieg über Duisburg eigentlich ganz zufrieden schien. Besonders mit Kirjakow und seinen ersten drei Toren für den HSV. Der Russe muß sich auch anstrengen, kommt doch neue Konkurrenz auf das Trainingsgelände in Ochsenzoll: Unter der Woche verpflichtete man Martin Dahlin. Der Ex-Mönchengladbacher wechselt für 400.000 Mark Leihgebühr bis zum Ende der Spielzeit von den Blackburn Rovers nach Hamburg. Und natürlich wird nur noch ganz verhalten und unter der Hand getuschelt, was der 30jährige eigentlich bringen solle, da seine letzten Auftritte in der Bundesliga ja nicht eben erfolgreich waren. Frank Pagelsdorf hat sicher einen Plan. Und sei es nur, seinen anderen Stürmern Beine zu machen. Eberhard Spohd

MSV Duisburg: Gill – Emmerling – Wohlert, Komljenovic – Hoersen, Vana, Wedau (56. Andersen), Hirsch, Neun – Beierle, Spies (56. Frydek)

Zuschauer: 22.181; Tore: 1:0 Gravesen (17.), 2:0 Kirjakow (37.), 3:0 Kirjakow (70.), 4:0 Kirjakow (80./Foulelfmeter), 4:1 Beierle (90.)

Hamburger SV: Butt – Hoogma – Panadic, Hertzsch (46. Ernst) – Fischer, Babatz, Gravesen (56. Dembinski), Jepsen (73. Böger), Hollerbach – Kirjakow, Yeboah