■ Die SPD hält Wort. Mit der künftigen Regierung wird vieles besser
: Dem Wechsel eine Chance

Noch nicht im Amt, aber es wird bereits kräftig über die künftige Regierung hergezogen. Selbst die publizistischen Vorkämpfer für einen Kanzler Gerhard Schröder, Stern und Woche, kritisieren die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen als mutlose Kompromißlerei. Ihnen geht insbesondere die Steuerreform nicht weit genug. Was haben sie erwartet? Daß Schröder seine Wahlversprechen nicht einhält? Alle, die für Rot-Grün votierten, bekommen genau das, was sie gewählt haben. Die SPD machte bereits vor der Wahl klar: Nicht die Reichen und die Unternehmen werden vordringlich durch eine Steuerreform entlastet, sondern Familien mit zwei Kindern – und zwar um 2.500 Mark. Der Spitzensteuersatz sinkt nicht wesentlich unter 49 Prozent. Das Kindergeld erhöht sich auf 250 Mark. In Zusammenarbeit mit den Grünen wurden diese Ziele nicht nur erreicht, sondern sogar übererfüllt.

Auch bei der Benzinpreiserhöhung hat die SPD Wort gehalten. Sechs Pfennig sind „das Ende der Fahnenstange“. Zwar ist davon keine ökologische Lenkungswirkung zu erwarten. Und die Senkung der Steuersätze fällt so minimal aus, daß davon kaum wirtschaftliche Impulse ausgehen werden. Aber immerhin hat die künftige Regierung schnell und verbindlich eine Nettoentlastung von zehn Milliarden hingekriegt. Und allen Unkenrufen zum Trotz wird irgendwer von dieser Summe profitieren.

Getreu dem Motto der SPD: „Wir wollen nicht alles anders machen, aber einiges besser“, hat Rot- Grün einiges bewegt: Der Atomausstieg ist in die Wege geleitet, das Staatsbürgerschaftsrecht reformiert, die Drogenpolitik liberalisiert. Das ist nicht besonders viel, aber besser als unter der alten Regierung ist es doch.

Auch atmosphärisch weht ein neuer Wind. Die künftigen Koalitionäre scheinen überraschend gut zu harmonieren, und Gerhard Schröder führt erfrischend anders als der alte Bundeskanzler. Wie er Kohl zu Tränen rührte, als er dessen Verdienste lobte, wie er der alten Regierung für die Behandlung der Kosovo-Krise dankte, wie er Joschka Fischer von sich aus auf seine Amerikareise mitnahm, wie er die Zusagen an seine Ministerkandidaten einhält, wie er die Scharping-Krise löste, das läßt darauf hoffen, daß er sich zu einem fairen, integrativen Staatsmann entwickelt. Der Wechsel ist da. Wir wollten ihn. Nun soll er seine Chance bekommen. Markus Franz