■ Mit US-Kartellrecht auf du und du
: Der Weltgeist ruft

Washington (taz) – Kartell ist, wenn einer alles hat und keiner dagegen ankommt. Kartellgesetze wurden in den USA zur Zeit der sogenannten Räuberbarone im 19. Jahrhundert erlassen, als Amerikas Rohstoffe und Verkehrswege in die Hände weniger Besitzer zu fallen begannen, die damit nicht nur alle Konkurrenten ausschalten, sondern auch die Ressourcen des Landes zu kontrollieren in der Lage waren.

„Das heutige Kartellrecht setzt andere Akzente“, sagt Anne K. Bingaman von der Kartellabteilung des US-Justizministeriums. Es soll nicht so sehr einzelne Unternehmer vor der Übermacht anderer als vielmehr die Kunden vor überteuerten Waren und die Wirtschaft vor Stagnation schützen.

Kartellgesetze sind historisch gesehen unwirksam, lehrt hingegen John Steel, Wirtschaftshistoriker und Autor eines Buchs über die Geschichte nationaler Verschuldung. Die Vorherrschaft General Motors' auf dem Automarkt zerbrach nicht am Kartellgesetz, sondern an der japanischen Konkurrenz. 13 Jahre lang tobte das 1969 von der US-Regierung angestrengte Kartellverfahren gegen IBM. Als es schließlich fallengelassen wurde, waren die von IBM hergestellten Großrechner vom Personal Computer abgelöst worden, IBM mußte Massenentlassungen vornehmen.

Marktmacht hin, Kartellbildung her, Monopole haben für Kunden auch schon mal Vorteile. Was wäre denn, wenn ein Dutzend Computer-Betriebssysteme nebeneinander existierten? „Nicht unbedingt ein Problem“, erklärt Lawrence White, Wirtschaftswissenschaftler und ehemals ökonomischer Berater des Kartellamtes im amerikanischen Justizministerium. Das Internet selbst ist ein plattformübergreifender Standard. „Standards können sich auch freiwillig durchsetzen“, sagt dazu Audrie Krause von der Gruppe NetAction, „sie müssen nicht aufgezwungen werden.“ „Open Source“ sei dafür ein gutes Beispiel, womit ein Softwarestandard gemeint ist, auf den jeder Zugriff hat und den jeder nach seinen Bedürfnissen verwenden kann. Es funktioniert nur, weil die darin eingebetteten Softwareelemente jedermann zugänglich sind und von jedem weiterentwickelt werden können – im Gegensatz zu Microsofts Taktik.

Jedes neue Kommunikationsmittel bringt mit sich die Hoffnung grenzenloser Informationsfreiheit. Doch die Druckerpressen sind heute in wenigen Händen konzentriert, und Wellenlängen für TV und Radio sind gleichsam in Privatbesitz übergegangen. Das Internet aber ist die Materialisierung der Vision vom kollektiven Verstand der Menschheit. „Geist ist kein Privatbesitz. Nicht du und ich haben Geist und Verstand“, lehrt der Biologe und Philosoph Rupert Sheldrake, „sondern irgendwo da draußen ist Verstand und wir beide benutzen ihn.“

Der Zugang zum Internet gilt vielen als Teilhabe am Weltgeist. Seine Beherrschung durch Profitinteressen kommt der Aufteilung der letzten großen öffentlichen Domäne gleich, ein geistiger Nationalpark wird zur privaten Ausbeutung abgesteckt. „Die Beherrschung aller Lebensbereiche durch Software und ihre Durchdringung durch das Internet wird zur ultimativen Kapitalisierung der Welt,“ warnt Noam Chomsky, Linguist, Philosoph und Amerikas radikalster Systemkritiker. taut